Beiträge zur Regionalgeschichte und Genealogie des Marzdorfer Landes

Zum Urlaub nach Königsgnade

Diesen Monat war ich ein paar Tage auf Urlaub in Jamienko – dem früheren Königsgnade. Ich wohnte sehr gut im Bauernhaus, das einst der Familie Günterberg gehörte. Heute ist das Haus komplett renoviert und heißt »Farma Jamienko«. Man kann es einfach über das Internet buchen.

Zum Haus gehört ein großer Garten und eine volleingerichtete Küche, die dem Urlauber zur Verfügung steht. Die Gastgeberin ist sehr freundlich, die Betten sind bequem. Auf einem Balken in der Küche steht das Datum 21. Juni 1894. Man baute damals solide und großzügig, denn die weiten Räume im alten Bauernhaus sind gewiss 3,20 Meter hoch.

Bei der liebevollen Renovierung blieb dieser alte Balken erhalten.
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Der Tod in Königsgnade

Wenn in den alten Zeiten der Tod nach Königsgnade kam, dann kam er zu den Menschen nach Hause. Gestorben wurde nicht in Altenheimen oder Krankenhäusern, sondern zu Hause im eigenen Bett. Natürlich gab es Fälle, in denen der Tod überraschend kam, aber in der Regel wurde sein Besuch erwartet und vorbereitet. Die Angehörigen waren am Sterbebett versammelt und sprachen Gebete, es wurde nach dem Pfarrer in Marzdorf geschickt, der die Kommunion und die Krankensalbung brachte, die damals noch »Letzte Ölung« hieß.

Alter Grabstein auf dem Friedhof von Königsgnade (Jamienko). Foto von Jarosław Ciechanowicz, März 2021
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Päuli u Josep – eine Geschichte aus Lubsdorf

Die nachfolgende Geschichte in der heute vergessenen Mundart des Deutsch Kroner-Landes erschien erstmals im Mai 1959 im »Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl« auf den Seiten 14 und 15. Als Verfasser gab der »Rundbrief« das Kürzel »H. H.« an – dahinter verbirgt sich vermutlich der Tützer Lehrer Hubert Hilarius Rehbronn, der 1888 in Lubsdorf geboren wurden und 1976 in München starb.

Den Hintergrund der Geschichte bildet die Reichstagswahl vom 20. Mai 1928, bei der erstmals der Schneidemühler Lehrer Brunislaus Warnke für das Zentrum kandidierte. Warnke stammte aus Zippnow, hatte das Gymnasium in Deutsch Krone besucht und war auch einmal Seminar-Oberlehrer gewesen. Es ist daher wahrscheinlich, dass Rehbronn ihn persönlich kannte, obwohl Warnke vermutlich nie sein »Lehri« war, wie es in der Geschichte heißt.

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Das Deutsch Kroner Land

von Leo Rehbronn

Der nachfolgende Aufsatz wurde Weihnachten 1962 im Rundbrief der Priester der Freien Prälatur (Seite 31 f.) ohne Quellennachweis veröffentlicht. Vermutlich verfasste der Marzdorfer Pfarrer Leo Rehbronn den Text für die Schneidemühler Kirchenzeitung Johannesbote, die Ende 1941 ihr Erscheinen einstellen musste. Der Hinweis auf die Kirchenglocken im drittletzten Absatz deutet darauf hin, dass der Aufsatz vor der Veröffentlichung im Rundbrief aktualisiert wurde, denn das Nazi-Regime ordnete die Abnahme der Bronzeglocken zwar im November 1941 an, führte sie aber erst 1942 und 1943 durch.

Leo Rehbronn wurde am 10. Februar 1887 in Lubsdorf geboren. Über seine Jugend ist nichts bekannt, er trat später in das Priesterseminar in Posen ein und wurde am 17. Juli 1921 in Gnesen zum Priester geweiht. Nach der Weihe diente Rehbronn als 3. Vikar in der Dreifaltigkeitskirche in Gnesen. Im April 1925 erfolgte die Versetzung nach Schneidemühl, wo Rehbronn bis 1934 als Kurat die katholische Gemeinde verwaltete, der rund 13 000 Christen zugehörten. In der Schneidemühler Zeit wohnte Rehbronn in der Bismarckstraße 8, sein Dienstsitz war das Katholische Pfarramt in der Kleinen Kirchenstraße 15.

Im Jahr 1934 wurde Rehbronn als Pfarrer in die Deutsch Kroner Filialgemeinde Breitenstein versetzt, die nur 540 Gläubige zählte. Wahrscheinlich hatte diese Versetzung – wie so viele in jener Zeit – politische Gründe. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich Rehbronn in der Schneidemühler Zeit bei den Nazis unbeliebt gemacht hatte. Breitenstein war jedoch nur eine Zwischenetappe, schon am 1. Mai 1935 wurde Rehbronn nach Marzdorf berufen, wo er am 27. Mai 1944 überraschend im Alter von 57 Jahren verstarb.

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Kirchenvisitation 1827

In Preußen waren regelmäßige Kirchenvisitationen gesetzlich vorgeschrieben. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin wird unter der Signatur I. HA Rep. A 181, Nr. 55911Der Aktenband wurde in den 1967 Jahren von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tagen verfilmt; der Mikrofilm ist über folgende Internetadresse frei zugänglich. Das Visitationsprotokoll findet sich auf den Bildern 23-31. das Protokoll einer Visitation verwahrt, die am 9. Mai 1827 in der katholischen Kirchengemeinde von Marzdorf stattfand.

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Anmerkungen:

  • 1
    Der Aktenband wurde in den 1967 Jahren von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tagen verfilmt; der Mikrofilm ist über folgende Internetadresse frei zugänglich. Das Visitationsprotokoll findet sich auf den Bildern 23-31.

Martina Bowen aus Lubsdorf

Als Martina Bowen am 2. November 2012 in Columbus, Georgia (USA) verstarb, veröffentlichten ihre Angehörigen eine Gedenkseite auf www.dignitymemorial.com. Neben vielen privaten Fotos ist auf dieser Seite auch eine alte Ansichtskarte von Lubsdorf abgebildet. Einen weiteren Hinweis auf das Dorf gibt es nicht. Was also hatte Martina Bowen mit Lubsdorf zu tun?

AK Lubsdorf (ca. 1930)
Die Ansichtskarte von Lubsdorf auf der Gedenkseite von Martina Bowen
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Weihnachten 1940 in Königsgnade

Auch nach der Vertreibung hielt Pater Konrad Pickmeier (* 1894; † 1964) engen Kontakt zu den Angehörigen seiner früheren Pfarrgemeinde in Marzdorf. Seit 1949 nutzte er dazu den dreimal jährlich erscheinenden Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl in der Grenzmark Posen-Westpreußen. Im Rundbrief veröffentlichte er Familiennachrichten und Todesfälle aus dem Kreis der Vertriebenen oder erinnerte an wichtige Ereignisse der weit verstreuten Gemeinde. Für das Weihnachtsheft 1960 verfasste er die nachfolgend wiedergegebene Erinnerung an das Weihnachtsfest im Kriegsjahr 1940.

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Marzdorfer Jagdgeschichte(n)

Im Landkreis Deutsch Krone mit seinen ausgedehnten Feldern und Wäldern, die mehr als zwei Drittel der Kreisfläche bedeckten, zählte die Jagd zu den Lieblingsvergnügen der privilegierten Oberschicht. Fast jeder der mehr als 200 Gutsbesitzer, die es im Kreis gab, verfügte über ein eigenes Jagdrevier mit reichen Beständen an Dam-, Rot- und Schwarzwild. Neben der Pirsch- und Ansitzjagd wurde auf den größeren Gütern auch die Treibjagd auf Niederwild ausgeübt. Diese Kesseltreiben, die im Spätherbst jedes Jahres auf den frisch umbrochenen Ackerflächen stattfanden, waren zugleich wichtige gesellschaftliche Ereignisse.

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Duell in Masdop – Eine Mundartgeschichte

Mit der Vertreibung hörte auch die spezifische Mundart der Einheimischen – das Deutsch Kroner Platt – auf zu bestehen. Dieser niederdeutsche Dialekt, der durch viele Endung auf »i« und »a« geprägt war und mitunter als »Schulzendorfer Mundart« bezeichnet wird, kennt viele eigentümlich Begriffe, die aus dem Pommerschen, aus der Neumark und Westpreußen übernommen und dann angepasst wurden. Auch mit polnischen Lehnworten wurde so verfahren. Die Mundart ist bis heute wissenschaftlich nicht untersucht, wird aber von Peter Pfeilsdorf in seinem Heimatbuch des Kreises Deutsch Krone aus dem Jahr 1922 näher beschrieben. Eine Klangprobe (aus Zechendorf) findet sich im Lautarchiv der reichsdeutschen Mundarten auf der Webseite von Wolfgang Näser.

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Telefonieren in Marzdorf

Das erste Telefon moderner Konstruktion kam 1877 aus den USA nach Deutschland, im Jahr 1881 eröffnete die Reichspost in Berlin die erste Fernsprechvermittlung, 1910 gab es bereits 941 000 Anschüsse im Reich, 1932 waren es 3,2 Millionen. Die überwiegende Zahl der Fernsprechgeräte stand damals in den Großstädten, aber im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erreichten die Apparate auch die ländlichen Gemeinden.

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Zur Erinnerung an Hulda Beutler

Archiv 9

Die aktuelle Nummer 9 der Archivs erinnert an Hulda Beutler, die am 3. März 1873 in Lubsdorf geboren wurde und am 7. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt, im besetzten Tschechien, starb. Bis 1938 führte Hulda Beutler einen kleinen Lebensmittelladen im Dorf Stibbe, dann wurde sie als Jüdin denunziert und im antisemitischen Hetzblatt »Der Stürmer« öffentlich verleumdet. Mit der Schließung ihres Ladens verlor sie ihre Existenz und musste die Heimat verlassen.

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Ein Ringwall am Marzdorfer Brausee

Marzdorf Messtischblatt 1937

Am Rande des Brausees von Marzdorf (Marcinkowice) ist ein mittelalterlicher Ringwall entdeckt worden. Der Wall liegt am westlichen Ufer des zweieinhalb Hektar großen Sees und besteht aus einer kegelförmigen Erhebung und einer Vorfläche, die ehedem wohl zu Siedlungszwecken genutzt wurde. Der Regionalforscher Robert Kraszczuk hat den Fund in dem Buch Z przeszłości Tuczna i okolic (Aus der Vergangenheit von Tütz und seiner Umgebung) dargestellt, das in diesem Frühjahr erschienen ist. Der Ringwall am Brausee wurde bislang archäologisch nicht untersucht, aber schon nahe an der Oberfläche finden sich Schlacken, Ziegelbruchstücke und Brandreste. Der Brausee in Marzdorf heißt heute Marcinkowice Małe, wird aber von den Einheimischen Parkowy genannt, weil er am Rand des früheren Gutsparks liegt.

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75 Jahre Vertreibung

Archiv 8

Am 28. März 1946 – also vor 75 Jahren – endete die 125-jährige Geschichte des Bauerndorfs Königsgnade in der pommerschen Grenzmark. Am frühen Nachmittag wurden die deutschsprachigen Einwohner des Dorfes aus ihren Häusern getrieben und zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. Milizsoldaten trieben die Königsgnader zum Bahnhof in Tütz, dort wurden sie in Viehwaggons verladen, nach Stettin transportiert und per Schiff in die britische Besatzungszone verbracht. Die Bewohner der Nachbardörfer erlitten das gleiche Schicksal. Mehr als 12 000 Menschen wurden allein im Frühjahr und Sommer 1946 aus dem Kreis Deutsch Krone ausgewiesen, der als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs an Polen gefallen war.

Die Nummer 8 des »Archivs« erzählt die Geschichten der Vertriebenen und erläutert die Hintergründe der größten ethnischen Säuberung, die es in Europa jemals gab. Er erklärt auch, warum die prächtigen Urwälder hinter der deutsch-polnischen Grenzen als Denkmal der Vertreibungen gesehen werden können.