Beiträge zur Regionalgeschichte und Genealogie des Marzdorfer Landes

Oberhofprediger Dryander in Marzdorf

Durch Zufall fiel mir kürzlich eine Ansichtskarte in die Hände, die am 13. Juni 1921 aus Tütz nach Dramburg in der Neumark versandt wurde1Die Karte aus dem Verlag von F. Dilling in Tütz/Wpr. wurde im Januar 2021 bei allegro.pl versteigert. Der Barbier Fritz Dilling führte in Tütz am Markt ein Geschäft, in dem er auch Drogeriewaren anbot. Vermutlich ist er der Vater des Empfängers.. Empfänger war Hans Dilling, der das evangelische Lehrerseminar in Dramburg besuchte und dort in der »Seminar Stube I« wohnte. Mit der Karte luden die in Tütz lebenden Eltern den Sohn ein, sie am kommenden Sonntag, den 19. Juni nach Marzdorf zu begleiten, da »der Oberhofprediger Dryander im Park zu Marzdorf wie im Vorjahr eine Andacht« abhalten werde. Der evangelische K.G.V. – wohl Kirchengesangsverein – aus Tütz werde teilnehmen und »im Anschluss daran einen Ausflug am Mariannensteig« machen. Der Sohn könne dann über Friedland »mit dem Frühzug« nach Dramburg zurückkehren.

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Anmerkungen:

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    Die Karte aus dem Verlag von F. Dilling in Tütz/Wpr. wurde im Januar 2021 bei allegro.pl versteigert. Der Barbier Fritz Dilling führte in Tütz am Markt ein Geschäft, in dem er auch Drogeriewaren anbot. Vermutlich ist er der Vater des Empfängers.

Noch einmal: Beutler in Lubsdorf

Ich habe an dieser Stelle bereits zweimal1https://www.koenigsgnade.de/zur-erinnerung-an-hulda-beutler/ und https://www.koenigsgnade.de/hulda-beutler-ein-update/ an Hulda Beutler erinnert, die aus Lubsdorf stammend ein Opfer des Holocaust wurde. Folgende Daten aus ihrem Leben sind bekannt:

  • 3. März 1873 – Hulda Beutler wird in Lubsdorf als Tochter von Louis Beutler und Sara geb. Hisnoff geboren;
  • 1935 – Hulda Beutlers Gemischtwarengeschäft in Stibbe wird in Klockhaus’ kaufmännischem Handels- und Gewerbe-Adressbuch aufgeführt;
  • Mai 1936 u. Mai 1937 – Hulda Beutler wird unter den zahlungsfähigen Mitgliedern der Synagogen-Gemeinde in Tütz genannt;
  • September 1938 – Hulda Beutler wird im Hetzblatt Der Stürmer denunziert;
  • 21. Juli 1942 – Hulda Beutler wird von Berlin aus ins Ghetto Theresienstadt deportiert;
  • 7. Dezember 1942 – Hulda Beutler stirbt im Ghetto Theresienstadt.
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Anmerkungen:

Regionale Wirtschaft 1935

Vor einiger Zeit veröffentlichte ich an dieser Stelle einen Beitrag über lokale Handels- und Gewerbebetriebe in den Jahren 1904 und 1913, wobei mir Adressbücher des Nürnberger Verlages C. Leuchs & Co. als Quelle dienten. Nun erhielt ich einen Hinweis auf ein Adressbuch des Berliner Klockhaus Verlages aus dem Jahr 19351Klockhaus’ Kaufmännisches Handels- u. Gewerbe-Adressbuch des Deutschen Reichs, Band 1a, Berlin 1935., das ebenfalls mehrere Gewerbeadressen aus Brunk, Königsgnade und Lubsdorf enthält. Ein Vergleich der Einträge führt zu interessanten Ergebnissen.

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Anmerkungen:

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    Klockhaus’ Kaufmännisches Handels- u. Gewerbe-Adressbuch des Deutschen Reichs, Band 1a, Berlin 1935.

Vor 250 Jahren wurde Marzdorf preußisch

Im September 1772 – also vor 250 Jahren – wurde Polen geteilt. Die drei Teilungsmächte Österreich, Russland und Preußen annektierten rund 203.00 Quadratkilometer Land, das von 4,5 Millionen Menschen bewohnt wurde – ein knappes Drittel des polnischen Staatsgebiets. Der preußische Anteil, der zwischen dem 13. und dem 23. September 1772 in Besitz genommen wurde, war flächenmäßig der kleinste – 30.000 Quadratkilometer mit 600.000 Einwohnern –, aber wirtschaftlich und strategisch von großer Bedeutung, denn er umfasste Teile Großpolens und fast das gesamte Königliche Preußen mit der Weichselmündung. Zu den großpolnischen Gebieten, die Preußen zugeschlagen wurden, gehörte auch die Starostei Wałcz (das spätere Deutsch Krone) im Palatinat Posen – und damit ebenfalls die Herrschaft Marzdorf.

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Johann Neumann (1794-1859)

Am 29. Oktober 1859 verstarb in Marcinkowice (Marzdorf) im Alter von 64 Jahren der »pensionirte Organist« Johann Neumann. Als Todesursache schrieb Pfarrer Anton Katzer »Wassersucht« ins Kirchenbuch1Kirchenbuchduplikat der kath. Gemeinde zu Marzdorf 1823-1874, in: General-Akten des Königlichen Amtsgerichts Märkisch Friedland, Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/2/49 oder online auf metryki.genbaza.pl, S. 279., was vermutlich auf ein Leberleiden hindeutet.

Neumanns Todeseintrag im Kirchenbuchduplikat von Marzdorf
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Anmerkungen:

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    Kirchenbuchduplikat der kath. Gemeinde zu Marzdorf 1823-1874, in: General-Akten des Königlichen Amtsgerichts Märkisch Friedland, Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/2/49 oder online auf metryki.genbaza.pl, S. 279.

Hulda Beutler – ein Update

Vor einiger Zeit erinnerte ich an dieser Stelle an Hulda Beutler, die am 3. März 1873 in Lubsdorf geboren wurde und am 7. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt starb. Frau Beutler führte in den 1930er Jahren ein Geschäft in Stibbe. Sie wurde im September 1938 im antisemitischen Hetzblatt Der Stürmer denunziert, verlor ihren Lebensunterhalt im Kreis Deutsch Krone und zog nach Berlin. Dort lebte sie im Mai 1939 nachweislich in einem jüdischen Altersheim in der Gerlachstraße, von dem aus sie am 21. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde.

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30 Mark zum Jubeltag

Am 5. November 1876 feierte der Altsitzer Stephan Robek mit seiner Ehefrau Anna Maria geborene Kluck in Königsgnade Goldene Hochzeit. Dieses Fest war damals recht selten, denn die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes im Deutschen Reich lag bei rund 53 Jahren, die einer Frau sogar bei nur 51,5 Jahren.1Zahlen nach Eine kurze Geschichte der Lebenserwartung. In den agrarischen Ostprovinzen lebte man zwar etwas länger als im industrialisierten Westen, aber dass ein Paar ein halbes Jahrhundert Ehe gemeinsam überlebte, war doch außergewöhnlich.

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Anmerkungen:

100 Jahre Grenzmark Posen-Westpreußen

Am 21. Juli 1922 – also vor hundert Jahren – wurde durch das »Ostmarkengesetz« der Preußischen Staatsregierung die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen begründet, der auch der Landkreis Deutsch Krone zugehörte. Der Erlass des Gesetzes im Juli 1921 bedeutete kaum mehr als eine Verwaltungsformalität, denn die Grenzen der Provinz und ihr administrativer Aufbau standen lange vorher fest. Der Name »Grenzmark Posen-Westpreußen« war sogar schon in der Preußischen Staatsverfassung vom 30. November 1920 festgeschrieben.

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Regionale Wirtschaft 1904 und 1913

Durch Zufall fand ich im Internet zwei Ausgaben des Adressbuchs aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden, Gutsbesitzer etc. für die preußische Provinz Westpreußen. Das eine Buch stammt aus dem Jahr 1904 (10. Auflage), das andere aus dem Jahr 1913 (11. Auflage). Beide Adressbücher erschienen »unter Benutzung amtlicher Quellen« im Verlag von C. Leuchs in Nürnberg, der nur bis zum Ersten Weltkrieg bestand.

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Kirchenbuchduplikate online

Für Familienforscher ist es eine kleine Sensation: In diesem Frühjahr stellte die Webseite metryki.genbaza.pl eine Reihe von Akten aus dem Archiwum Państwowe w Koszalinie online. Unter den Digitalisaten befindet sich auch das Kirchenbuchduplikat von Marzdorf (Marcinkowice) der Jahre 1823-1875, wobei die Ortsbezeichnung der Webseite freilich fehlerhaft »Märzdorf« lautet. Die Aufnahmen, die jetzt online einzusehen sind, hat Leszek Ćwikliński schon 2014 im Staatsarchiv in Köslin gefertigt. Sie haben professionelle Qualität und sind gestochen scharf.

Titel des Kirchenbuchduplikats
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Zum Urlaub nach Königsgnade

Diesen Monat war ich ein paar Tage auf Urlaub in Jamienko – dem früheren Königsgnade. Ich wohnte sehr gut im Bauernhaus, das einst der Familie Günterberg gehörte. Heute ist das Haus komplett renoviert und heißt »Farma Jamienko«. Man kann es einfach über das Internet buchen.

Zum Haus gehört ein großer Garten und eine volleingerichtete Küche, die dem Urlauber zur Verfügung steht. Die Gastgeberin ist sehr freundlich, die Betten sind bequem. Auf einem Balken in der Küche steht das Datum 21. Juni 1894. Man baute damals solide und großzügig, denn die weiten Räume im alten Bauernhaus sind gewiss 3,20 Meter hoch.

Bei der liebevollen Renovierung blieb dieser alte Balken erhalten.
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Der Tod in Königsgnade

Wenn in den alten Zeiten der Tod nach Königsgnade kam, dann kam er zu den Menschen nach Hause. Gestorben wurde nicht in Altenheimen oder Krankenhäusern, sondern zu Hause im eigenen Bett. Natürlich gab es Fälle, in denen der Tod überraschend kam, aber in der Regel wurde sein Besuch erwartet und vorbereitet. Die Angehörigen waren am Sterbebett versammelt und sprachen Gebete, es wurde nach dem Pfarrer in Marzdorf geschickt, der die Kommunion und die Krankensalbung brachte, die damals noch »Letzte Ölung« hieß.

Alter Grabstein auf dem Friedhof von Königsgnade (Jamienko). Foto von Jarosław Ciechanowicz, März 2021
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Päuli u Josep – eine Geschichte aus Lubsdorf

Die nachfolgende Geschichte in der heute vergessenen Mundart des Deutsch Kroner-Landes erschien erstmals im Mai 1959 im »Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl« auf den Seiten 14 und 15. Als Verfasser gab der »Rundbrief« das Kürzel »H. H.« an – dahinter verbirgt sich vermutlich der Tützer Lehrer Hubert Hilarius Rehbronn, der 1888 in Lubsdorf geboren wurden und 1976 in München starb.

Den Hintergrund der Geschichte bildet die Reichstagswahl vom 20. Mai 1928, bei der erstmals der Schneidemühler Lehrer Brunislaus Warnke für das Zentrum kandidierte. Warnke stammte aus Zippnow, hatte das Gymnasium in Deutsch Krone besucht und war auch einmal Seminar-Oberlehrer gewesen. Es ist daher wahrscheinlich, dass Rehbronn ihn persönlich kannte, obwohl Warnke vermutlich nie sein »Lehri« war, wie es in der Geschichte heißt.

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Das Deutsch Kroner Land

von Leo Rehbronn

Der nachfolgende Aufsatz wurde Weihnachten 1962 im Rundbrief der Priester der Freien Prälatur (Seite 31 f.) ohne Quellennachweis veröffentlicht. Vermutlich verfasste der Marzdorfer Pfarrer Leo Rehbronn den Text für die Schneidemühler Kirchenzeitung Johannesbote, die Ende 1941 ihr Erscheinen einstellen musste. Der Hinweis auf die Kirchenglocken im drittletzten Absatz deutet darauf hin, dass der Aufsatz vor der Veröffentlichung im Rundbrief aktualisiert wurde, denn das Nazi-Regime ordnete die Abnahme der Bronzeglocken zwar im November 1941 an, führte sie aber erst 1942 und 1943 durch.

Leo Rehbronn wurde am 10. Februar 1887 in Lubsdorf geboren. Über seine Jugend ist nichts bekannt, er trat später in das Priesterseminar in Posen ein und wurde am 17. Juli 1921 in Gnesen zum Priester geweiht. Nach der Weihe diente Rehbronn als 3. Vikar in der Dreifaltigkeitskirche in Gnesen. Im April 1925 erfolgte die Versetzung nach Schneidemühl, wo Rehbronn bis 1934 als Kurat die katholische Gemeinde verwaltete, der rund 13 000 Christen zugehörten. In der Schneidemühler Zeit wohnte Rehbronn in der Bismarckstraße 8, sein Dienstsitz war das Katholische Pfarramt in der Kleinen Kirchenstraße 15.

Im Jahr 1934 wurde Rehbronn als Pfarrer in die Deutsch Kroner Filialgemeinde Breitenstein versetzt, die nur 540 Gläubige zählte. Wahrscheinlich hatte diese Versetzung – wie so viele in jener Zeit – politische Gründe. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich Rehbronn in der Schneidemühler Zeit bei den Nazis unbeliebt gemacht hatte. Breitenstein war jedoch nur eine Zwischenetappe, schon am 1. Mai 1935 wurde Rehbronn nach Marzdorf berufen, wo er am 27. Mai 1944 überraschend im Alter von 57 Jahren verstarb.

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Kirchenvisitation 1827

In Preußen waren regelmäßige Kirchenvisitationen gesetzlich vorgeschrieben. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin wird unter der Signatur I. HA Rep. A 181, Nr. 55911Der Aktenband wurde in den 1967 Jahren von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tagen verfilmt; der Mikrofilm ist über folgende Internetadresse frei zugänglich. Das Visitationsprotokoll findet sich auf den Bildern 23-31. das Protokoll einer Visitation verwahrt, die am 9. Mai 1827 in der katholischen Kirchengemeinde von Marzdorf stattfand.

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Anmerkungen:

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    Der Aktenband wurde in den 1967 Jahren von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tagen verfilmt; der Mikrofilm ist über folgende Internetadresse frei zugänglich. Das Visitationsprotokoll findet sich auf den Bildern 23-31.