Beiträge zur Regionalgeschichte und Genealogie des Marzdorfer Landes

Ein Koffer aus Königsgnade

Beim Entrümpeln des elterlichen Dachbodens fand meine Cousine Angela im Mai dieses Jahres einen alten Holzkoffer, der noch aus Königsgnade stammt. Offenbar nutzten meine Großeltern Hedwig und Martin Radke das Fundstück bis zu ihrem Tod, um amtliche Papiere und andere Unterlagen aufzubewahren, die das Behältnis heute bis fast zur Hälfte füllen. — Ich kann mich nicht entsinnen, den Koffer je vorher gesehen zu haben, obwohl der Dachboden meiner Tante, in deren Haus auch meine Großeltern lebten, ein beliebter Kinderspielplatz war. Meine Cousine erkannte ihn hingegen auf Anhieb; seine Existenz war ihr freilich längst entfallen.

Nach der Familienüberlieferung baute mein Großvater den Koffer, der etwa 50 mal 27 mal 17 Zentimeter mißt, im Winter 1945/46 aus Holzresten und dem Leder alter Pferdeschirre zusammen. Meine Großmutter hatte von einer Polin, die seit einiger Zeit mit im Haus der Familie wohnte, erfahren, dass die Deutschen aus Königsgnade ausgewiesen werden sollten. Meine Großeltern hofften nun, mit Hilfe einiger selbstgefertigter Transportmittel wenigstens einige Besitzstücke mit in die Fremde nehmen zu können.

Der Koffer aus Königsgnade

Mein Großvater war zu jener Zeit schon ein Mann von fast 60 Jahren, der sich als Bauer alter Art auf nahezu jedes Handwerk verstand. Seine Frau war fast 20 Jahre jünger; sie besaß das kommunikative Talent, das meinem eher wortkargen Großvater abging. Zusammen hatten die beiden fünf Kinder im Alter zwischen zwölf und anderthalb Jahren. Eine Schwester meines Großvaters und sein an chronischem Rheuma leidender Bruder, die beide unverheiratet auf dem Bauernhof lebten, komplettierten die Familie.

Bekanntlich erfolgte die Ausweisung am 28. März 1946. Zusammen mit den meisten anderen Dorfbewohnern wurde auch die Familie meines Großvaters über Marzdorf nach Tütz gebracht, dort in einen Güterzug verladen und nach Stettin transportiert. Im Lager Stettin-Frauendorf erkrankte sein Bruder an Typhus und kam unter Quarantäne. Die übrige Familie bestieg ein Schiff, das unter britischer Besatzung nach Travemünde fuhr, wo der Transport am 10. April endete.

Schon auf der Zugfahrt von Tütz nach Stettin wurden meine Großeltern mehrfach ausgeplündert. Mein Onkel berichtete später darüber:

»Während der Bahnfahrt trieben Diebesbanden ihr Unwesen und raubten die Vertriebenen bis aufs Hemd aus. Auch unser Wagen wurde heimgesucht. Nicht nur das wenige Gepäck, sondern auch Teile der Kleidung, die die Leute trugen, wurden ihnen genommen. Im Abteil herrschte schreckliche Angst und keiner wagte es, etwas dagegen zu unternehmen.«1J. Radke: Erinnerungen an Kindheit und Jugend, o. O. u. J. [2015], S. 10.

In Stettin gingen die Diebstähle weiter und das einzige der Gepäckstück der Familie, das es bis Travemünde schaffte, war der kleine Holzkoffer. In ihm befanden sich, unter Babysachen verborgen, auch einige Dokumente, mit denen mein Großvater den Besitz des Bauernhofs in Königsgnade belegen wollte. Die Mitnahme solcher Papiere war den Ausgewiesenen verboten. Meine Großmutter behauptete später, der Koffer wäre nur deshalb vor den Diebesbanden wie auch von den polnischen Grenzkontrolleuren verschont geblieben, weil ein Kruzifix oben auf den Babysachen lag.

Von Travemünde aus begleitete der Koffer meine Großeltern in ihre verschiedenen Quartiere im von Heimatlosen überfüllten Nachkriegs-Deutschland: Erst nach Wittenberg bei Preetz in Holstein, dann nach Bleialf in der Eifel, endlich 1959 ins Haus meiner Tante, wo er sich nun auf dem Dachboden wiederfand. Beide Lederscharniere und der Verschluss haben den Lauf der Zeiten gut überstanden, aber der einstige Tragegriff ist verschwunden und das Holz weist einige Wurmlöcher auf. Ein Pappschild auf der Oberseite soll früher die Adresse meiner Großeltern in Königsgnade gezeigt haben, heute ist es vollkommen verblichen. Auf der Unterseite finden sich allerdings noch zwei Adressen, die mit Farbe aufgemalt sind. Die erste Anschrift lautet »Martin Radke, Schloß Wittenberg, Preetz b. Plön«, die zweite »Agnes Rohde, Lübeck-Siems, Flenderlager Ⅲ«.

Agnes Rohde war zugleich die Tante und die Stiefmutter meiner Oma. Sie wurde im August 1946 von Polen ausgewiesen, lebte dann eine zeitlang in einem Flüchtlingslager bei Lübeck, zog 1949 nach Kaltenhof im Kreis Eckernförde und 1951 zu meinen Großeltern nach Bleialf. Offenbar nutzte sie für ihre Umzüge den Koffer aus Königsgnade. Vor der Ausweisung besaß Agnes Rohde zusammen mit meinem Urgroßvater Desiderius Rohde einen Bauernhof in Stranz auf dem Abbau. Sie kam als Witwe nach Lübeck, denn mein Urgroßvater verstarb im Mai 1945 auf seinem Hof.

Welche Unterlagen enthält nun der Koffer? – Sie lassen sich in sechs Kategorien unterteilen:

  1. Dokumente, aus der Zeit vor 1945, die den Bauernhof in Königsgnade betreffen,
  2. Dokumente zum Lastenausgleichsverfahren meines Großvaters,
  3. Dokumente zum Lastenausgleichsverfahren von Max Radke, einem Bruder meines Großvaters,
  4. Dokumente zum Lastenausgleichsverfahren von Agnes Rohde,
  5. Ausweise, Sparbücher und Urkunden zu den genannten Personen.
  6. Persönliche Briefe und Brieffragmente.

Die Unterlagen der ersten Kategorie sind für mich besondern wichtig; ich will ihnen daher an dieser Stelle etwas mehr Raum geben. Das älteste Dokument ist eine »auszugsweise Abschrift« des gerichtlichen Überlassungsvertrags, mit dem mein Großvater am 4. Oktober 1930 den Bauernhof Königsgnade Band Ⅰ Blatt 5 übernahm. Im Gegenzug hatte er seiner Mutter ein umfangreiches Altenteil im Jahreswert von »800 Goldmark nach der jetzigen Reichsmark« zu gewähren, je 10 000 Goldmark an die beiden auf dem Hof lebenden Geschwister zu zahlen und seinen Bruder Max, der einen eigenen Hof in Königsgnade besaß, mit 2000 Goldmark abzufinden. Der Gesamtwert des übertragenen Hofes wurde auf 35 000 Reichsmark geschätzt, das entspricht nach heutiger Kaufkraft etwa 150 000 Euro2Berechnet nach den Angaben der Deutschen Bundesbank unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/615162/94b87ff6d25eceb84c9cfb801162b334/mL/kaufkraftaequivalente-historischer-betraege-in-deutschen-waehrungen-data.pdf.. Der Überlassungsvertrag wurde vor dem Amtsgericht Märkisch Friedland (Richter Bock, Justizobersekretär Krienke) geschlossen. Die Größe des Bauernhofs ist im Vertrag nicht angegeben, aufgeführt ist jedoch, dass zu ihm auch die Wiesen Brunk Band Ⅴ Blatt 126 gehörten, die vielleicht meine Urgroßmutter – eine geborene Heymann aus Brunk – eingebracht hatte.

Meine Urgroßmutter (sitzend), mein Großvater und seine Geschwister ca. 1930

Am 2. Dezember 1930 wurden die Geschwister meines Großvaters über die Überlassung informiert und auch darüber, dass für sie unter den Nummern 1 bzw. 2 der dritten Abteilung des Grundbuchs eine versicherte Schuld von je 10 000 Goldmark eingetragen stand. Bis auf diese beiden Posten war der Hof schuldenfrei. Die beiden Auflassungsbescheide des Amtsgerichts für den »Landwirt Paul Radke« und das »Fräulein Martha Radke« befinden sich im Koffer. Dort befindet sich auch ein Auszug aus dem »Gerichtlichen Verzeichnis« des Anerbengerichts in Märkisch Friedland vom 6. April 1934, der meinem Großvater bestätigte, dass sein Bauernhof in Königsgnade mit einer Größe von 41 Hektar, 48 Ar und 91 Quadratmetern für die Eintragung in die »Erbhöferolle in Aussicht« genommen sei. Der Richter am Anerbengericht hieß übrigens wiederum Bock.

Die letzten Dokumente, die noch aus Königsgnade stammen, sind zwei Versicherungsscheine über Feuerversicherungen. Die Gebäudeversicherung wurde am 29. April 1931 mit der Nordstern und Vaterländischen Allgemeinen Versicherungsaktiengesellschaft in Stettin über den Versicherungswert von 17 650 Reichsmark abgeschlossen. Versichert waren das massive Wohnhaus mit Ziegeldach, der ebenfalls massive und ziegelgedeckte Viehstall, ein massiver Pferde- und Schweinestall mit Ziegeldach, ein massiver Anbau ans Wohnhaus, die massive Waschküche mit Pappdach, ein Schuppen aus Holz mit Pappdach und eine Scheune aus Holz mit Strohdach. Die Versicherung sollte am 1. April 1941 auslaufen, die Prämie belief sich inklusive Versicherungssteuer auf jährlich 40,20 RM. Die Kiste enthält das Fragment eines Briefes, mit dem mein Großvater am 14. Juli 1943 die Versicherungsumme des offenbar verlängerten Vertrages auf 30 900 Reichsmark erhöhte.

Alte Versicherungspolicen meines Großvaters

Ergänzend zur Gebäude-Feuerversicherung schloss mein Großvater am 1. Mai 1935 einen Vertrag mit der Schlesischen Feuerversicherungs-Gesellschaft in Breslau ab – oder besser gesagt, mit deren Vertreter Manthey in Märkisch Friedland. Diese Versicherung betraf den Hausrat, den landwirtschaftlichen Viehbestand, die laufende Ernte und das gesamte tote Inventar mit einer Versicherungssumme von 19 100 Reichsmark, wofür eine Jahresprämie von 61,90 RM fällig wurde. Der Vertrag mit der Schlesischen lief bis zum 1. Mai 1940, wurde aber von meinem Großvater zuletzt am 24. Juni 1943 verlängert, wobei er die Versicherungssumme auf 19 600 Reichsmark erhöhte. Als Anschrift des Hofes in Königsgnade ist im Versicherungsschein die »Dorfstraße 11« genannt.

Der ganz überwältigende Teil der Unterlagen im Koffer gehört der zweiten Kategorie an, betrifft also den Lastenausgleich, bei dem die deutsche Bürokratie ihre Sternstunde erlebte. Dutzende von Teilbescheiden, vorläufigen Festlegungen, Abänderungen und Ergänzungen zu früheren Festsetzungen erreichten meine Großeltern, die dann meine Tante mit der Beantwortung der oft nur schwer verständlichen Fragen beauftragten. In den Jahren 1947 und 1954 gaben meine Großeltern zweimal detaillierte Fragebogen zum verlorenen Besitz ab, zum Viehstand und den Ernteerträgen. Bei der Schadensberechnungen, die erstmals im Mai 1959 erfolgte, spielten diese Angaben freilich keine Rolle. Das Lastenausgleichsamt multiplizierte die Betriebsgröße einfach mit einem vorher für den Kreis Deutsch Krone festgelegten Pauschalsatz (850 RM pro Hektar) und errechnete so einen Vertreibungsschaden von 34 850 Reichsmark. Damit fiel mein Großvater in die »Schadensgruppe 19« (Schäden bis 48 000 RM) und hatte Anspruch auf eine Hauptentschädigung von 13 420 DM. Aus dem »Verlust an Hausrat« wurden der Familie im Februar 1960 weitere 2300 DM zugesprochen.

Von der Kaufkraft her entsprachen 15 720 DM im Jahr 1960 etwa 43 000 Euro3Berechnet nach Ebenda. – nicht sehr viel Geld also. Aber auch diesen Betrag erhielt mein Großvater nicht ausgezahlt, denn der Staat rechnete alle Unterhaltungshilfen und Entschädigungsrenten, die die Familie seit 1949 bezogen hatte, dagegen. Diese Sozialleistungen abgezogen, verblieb für meinen Großvater nur ein Zuschuss von 3355 Mark zu einem Darlehen über 8500 DM – mit dem er sich am Bau des Hauses meiner Tante beteiligte – sowie im Dezember 1971 ein »Mindesterfüllungsbetrag« von 467,50 DM. Obwohl die Hauptentschädigung durch den Gesetzgeber in den Jahren bis 1972 stufenweise auf 25 490 DM erhöht wurde, schloss das Lastenausgleichskonto meines Großvaters bei seinem Tod im Jahr 1975 mit einem rechnerischen Minus von 38 864,35 DM, das der Staat freilich nicht einforderte.

Die Unterlagen, die sich für Max Radke und Agnes Rohde im Koffer befinden, zeigen einen vergleichbaren Verfahrensablauf. Auch bei ihnen wurden die Ansprüche gegen Unterhaltsleistungen verrechnet und bis auf Restbeträge aufgezehrt. So durchgeführt half der Lastenausgleich vor allem den betroffenen Kommunen beim Ausgleich ihrer Soziallasten.

Natürlich tauschten sich die Ausgewiesenen aus Königsgnade in Lastenausgleichsangelegenheiten auch untereinander aus. Im Koffer befindet sich ein Brief von Magdalena Günterberg, die im Herbst 1946 schilderte, mit welchen Angaben sie den Fragebogen zum verlorenen Eigentum ausgefüllt hatte. »Ihr könnt es machen wie wir«, forderte sie meine Großeltern auf und fügte hinzu: »Es darf nicht zu hoch«. Die nachfolgende Tabelle stellt die Angaben für die Höfe Radke und Günterberg in Königsgnade gegenüber:

Martin RadkePaul Günterberg
Größe des Hofes41 ha 49 ar31 ha 59 ar
Wohnhaus1890 erbaut, Wert: 10 000 Mark1905 erbaut, Wert: 12 000 Mark
Stall1898 erbaut, Wert: 10000 Mark1933 erbaut, Wert: 11 000 Mark Wert
Stall1872 erbaut, Wert: 5000 MarkWert: 4000 Mark
ScheuneWert: 5000 Mark1894 erbaut, Wert: 4500 Mark Wert
Pferde3 Stück, Wert: 5200 Mark2 Stück, Wert: 3100 Mark
Rindvieh26 Stück, Wert: 12 000 Mark26 Stück, Wert: 12 000 Mark
Schweine18 Stück, Wert: 2800 Mark12 Stück, Wert: 4600 Mark
Schafe5 Stück, Wert: 450 Mark7 Stück, Wert 650 Mark
Hühner70 Stück, Wert: 315 Mark80 Stück, Wert 380 Mark
Zuchtgänse4 Stück, Wert: 60 Mark4 Stück, Wert 125 Mark

In einem anderen Brief wird der Hof von Desiderius Rohde in Stranz geschildert. Dieser war 44,45 Hektar groß; gehalten wurden vier Pferde, zehn Kühe, vier Sterken, sechs Kälber, acht Stück Mastvieh, acht Schweine und 30 Hühner. Den Gebäudewert insgesamt schätzte Paul Radke, der Bruder meiner Großmutter, auf 30 000 Mark. Zum Hof gehörte außer dem 1905 erbauten Wohnhaus der Familie ein Arbeiterhaus für drei Familien im Dorf.

Mehrere Dokumente im Koffer betreffen die »Umstellung von Altsparervermögen«. Im Mantel meiner Tante eingenäht, hatte mein Großvater einige Sparkassenbücher der Sparkasse Deutsch Krone nach Travemünde bringen können, die er im Jahr 1952 vom Kölner Postscheckamt auf DM umstellen ließ. Wie die Unterlagen im Koffer zeigen, schrumpfte das Sparguthaben dabei von 20 155,85 RM auf 1204,03 DM zusammen. Höher im Kurs standen Wertanlagen: Eine Reichsschuldanlage von 500 Reichsmark für meinen Urgroßvater Desiderius Rohde tauschte die Dresdner Bank 1970 im Verhältnis 1:1 mit 500 DM um – und zahlte zusätzlich 270 DM Zinsen.

Pässe und Ausweise im Koffer

Neben anderen Ausweisen findet sich im Koffer auch ein Mitgliedsausweis des Bundes der Vertriebenen Deutschen, dem mein Großvater – nach den eingeklebten Beitragsmarken – von 1960 bis 1964 angehörte. Trotz dieser Mitgliedschaft war er nie ein politischer Mensch. Die wirklichen Gedanken meiner Großeltern drückt eher eine religiöse Broschüre aus, die ich ebenfalls zwischen den Unterlagen fand: »Der Kreuzweg des Herrn in notvoller Zeit«. Dieser Traktat, 1946 von der Missionshandlung St. Wendel verteilt, ruft dazu auf, demütig in der Nachfolge Christi das Kreuz der Leides durch die Entbehrungen und Verluste der Nachkriegszeit zu tragen. Tatsächlich habe ich meine Großeltern nie verbittert oder empört über die Vertreibung, den Verlust ihrer früheren Lebensstellung oder die Ungerechtigkeit des Lastenausgleichs erlebt. Sie waren vor allem dankbar, mit ihren Liebsten davongekommen zu sein und genug zum Leben zu haben.

Anmerkungen:

Der Schmidt’sche Krug in Marzdorf

Grundbuch Marzdorf Band 1, Blatt Nr. 3 (1782-1893)

Der dritte Beitrag in der Serie über den Bestand an historischen Grundakten im Archiwum Państwowe in Köslin beschäftigt sich mit dem Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nummer 3, das auf 343 Blättern vom Kruggrundstück in Marzdorf handelt1Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, Laufzeit 1782-1893, Signatur 26/112/0/3/161 im Archiwum Państwowe Koszalin. Die entsprechende Akte wurde mindestens einmal umgebunden. Die Bezeichnung auf Blatt 18 lautet »Patrimonialgericht zu Marzdorf: Grund und Beilage Acta zum Hypothequen Buch über den Krug in Marzdorf, Possessor Christoph Schmidt«. – Der Familienname wird in der Akte anfangs auch Schmitt oder Schmet geschrieben. Das Digitalisat kann von registrierten Benutzern auf der Webseite metryki.genbaza.pl eingesehen werden..

Das älteste Dokument in der Akte ist das »Privileg für den Gast-Krüger Martin Schmidt«, das Andreas Joseph von Tütz Tuczynski am 23. Oktober 1706 erteilte, in einer deutschen Übersetzung des Tützer interpres juratus J. Schievelbein aus dem Jahr 1712. Das Dokument findet sich in ähnlicher Form auch im Kontributionskataster von Marzdorf, deshalb wird hier auf die Wiedergabe verzichtet. Der Familie Schmidt diente das Privileg als Besitznachweis; in der Akte ist eine weitere Übersetzung durch Propst Michael Gramse aus dem Jahr 1821 enthalten2Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 30 VS bis 31 RS bzw. 22 VS u. RS..

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Anmerkungen:

  • 1
    Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, Laufzeit 1782-1893, Signatur 26/112/0/3/161 im Archiwum Państwowe Koszalin. Die entsprechende Akte wurde mindestens einmal umgebunden. Die Bezeichnung auf Blatt 18 lautet »Patrimonialgericht zu Marzdorf: Grund und Beilage Acta zum Hypothequen Buch über den Krug in Marzdorf, Possessor Christoph Schmidt«. – Der Familienname wird in der Akte anfangs auch Schmitt oder Schmet geschrieben. Das Digitalisat kann von registrierten Benutzern auf der Webseite metryki.genbaza.pl eingesehen werden.
  • 2
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 30 VS bis 31 RS bzw. 22 VS u. RS.

Der Schmikowski’sche Freikossätenhof (Teil 2)

Grundbuch Marzdorf Band 1, Blatt Nr. 2 (1782-1904)

Der erste Teil dieses Beitrags stellte die Geschichte des Freikossätenhofs der Familie Schmikowski in Marzdorf bis ins Jahr 1838 dar. Dieser zweite Teil bringt die Fortsetzung bis ins Jahr 1904. Beide Teile nutzen als Quelle die Grundakte, die heute im Archiwum Państwowe in Köslin1Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 2, Laufzeit 1782-1904, Signatur 26/112/0/3/160 im Archiwum Państwowe Koszalin verwahrt wird.

Vermutlich im Jahr 1841 oder 1842 hatte der Hoferbe Johann Schmikowski Rosalia Günterberg geheiratet. Aus dieser Ehe sind acht Kinder bekannt:

  • August Schmikowski, geboren am 14. Oktober 18422General-Akten des Königlichen Amtsgerichts in Märk. Friedland betreffend die Kirchenbuchduplikate der Gemeinde Marzdorf 1823-1874. In: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 609/40, S. 140., gestorben 30. September 18513Ebenda, S. 201.;
  • Martin Schmikowski, geboren am 15. Januar 18454Ebenda, S. 149.;
  • Florian Schmikowski, geboren am 9. Februar 18475Ebenda, S. 167.;
  • Bernard Schmikowski, geboren am 10. Dezember 18496Ebenda, S. 181.;
  • August Schmikowski, geboren am 24. November 18527Ebenda, S. 211., gestorben 24. April 18538Ebenda, S. 221.;
  • Anton Schmikowski, geboren am 27. März 18549Ebenda, S. 227.;
  • Johann Schmikowski, geboren am 9. Januar 185710Ebenda, S. 253.;
  • Joseph Schmikowski, geboren am 7. März 186011Ebenda, S. 283..
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Anmerkungen:

  • 1
    Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 2, Laufzeit 1782-1904, Signatur 26/112/0/3/160 im Archiwum Państwowe Koszalin
  • 2
    General-Akten des Königlichen Amtsgerichts in Märk. Friedland betreffend die Kirchenbuchduplikate der Gemeinde Marzdorf 1823-1874. In: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 609/40, S. 140.
  • 3
    Ebenda, S. 201.
  • 4
    Ebenda, S. 149.
  • 5
    Ebenda, S. 167.
  • 6
    Ebenda, S. 181.
  • 7
    Ebenda, S. 211.
  • 8
    Ebenda, S. 221.
  • 9
    Ebenda, S. 227.
  • 10
    Ebenda, S. 253.
  • 11
    Ebenda, S. 283.

Der Schmikowski’sche Freikossätenhof (Teil 1)

Grundbuch Marzdorf Band 1, Blatt Nr. 2 (1782-1904)

Der zweite Beitrag in der Serie über den Bestand an historischen Grundakten im Archiwum Państwowe in Köslin beschäftigt sich mit dem Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nummer 2, das auf 244 Blättern den Freikossätenhof der Familie Schmikowski in Marzdorf handelt1Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 2, Laufzeit 1782-1904, Signatur 26/112/0/3/160 im Archiwum Państwowe Koszalin. Der Originaltitel auf dem Aktendeckel lautet: Grund und Hypothequen Beilage Acten des von Grabskischen Patromial Gerichts der Martzdorffschen Güter betreffend den hypothequarischen Zustand des im Dorfe Martzdorff unter der Nummer Ⅱ belegenen Koßätenhof nebst Zugehörigen des Possessors Johann Schmikowski. – Der Familienname wird in der Akte auch Smikoski, Schmikowsky oder Schmikoski geschrieben. Das Digitalisat kann von registrierten Benutzern auf metryki.genbaza.pl eingesehen werden.. Das Grundbuch ist so reich an Informationen, dass dieser Beitrag in zwei Teilen erscheinen muss.

Das älteste Dokument in der Akte ist das Privileg, das Andreas Joseph auf Tütz Tuczynski, der letzte Erbherr aus dem Geschlecht der Wedel, am 30. März 1717 für Martin Schmikowski ausstelle. Die Gerechtsame, die den Kauf eines »Kossäten-Ackers« in Marzdorf bestätigt, ist in zwei Übertragungen aus dem Polnischen vorhanden. Die erste erstellte der interpres juratus Schievelbein in Tütz 1762 für »Johann Schmikosken zu Marzdorf«2Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 2, Blatt 20 VS bis 20 RS.; die zweite wurde am 30. November 1820 vom Marzdorfer Pfarrer Michael Gramse verfasst3Ebenda, Blatt 94 VS.. Da die Urkunde bislang nicht bekannt war, folgt hier der Wortlaut in der beglaubigten Übersetzung Gramses:

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Anmerkungen:

  • 1
    Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 2, Laufzeit 1782-1904, Signatur 26/112/0/3/160 im Archiwum Państwowe Koszalin. Der Originaltitel auf dem Aktendeckel lautet: Grund und Hypothequen Beilage Acten des von Grabskischen Patromial Gerichts der Martzdorffschen Güter betreffend den hypothequarischen Zustand des im Dorfe Martzdorff unter der Nummer Ⅱ belegenen Koßätenhof nebst Zugehörigen des Possessors Johann Schmikowski. – Der Familienname wird in der Akte auch Smikoski, Schmikowsky oder Schmikoski geschrieben. Das Digitalisat kann von registrierten Benutzern auf metryki.genbaza.pl eingesehen werden.
  • 2
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 2, Blatt 20 VS bis 20 RS.
  • 3
    Ebenda, Blatt 94 VS.

Der Kluck’sche Bauernhof in Marzdorf

Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 1 (1831-1888)

Für das Portal metryki.genbaza.pl hat Leszek Ćwikliński in diesem Herbst Grundbücher aus dem früheren Bestand des Amtsgerichts Märkisch Friedland digitalisiert, die heute im Archiwum Państwowe in Köslin verwahrt werden. Es handelt sich dabei um Aktenbestände, die das Gericht einst selbst ins Archiv aussonderte, weil die behandelten Grundstücke durch Verkauf, Zusammenlegung oder Parzellierung in der früheren Form nicht mehr bestanden. Unter den digitalisierten Büchern befinden sich zehn aus Brunk, zehn aus Königsgnade, 53 aus Marzdorf und vier aus Neu Prochnow. Da die Grundbücher eine Vielzahl an Informationen zur regionalen Wirtschafts- und Familiengeschichte enthalten, werde ich mich mit ihnen an dieser Stelle ausgiebiger befassen. Den Anfang macht dabei das Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 11Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 1, Laufzeit 1831-1888, Signatur 26/112/0/3/159 im Archiwum Państwowe Koszalin. Der Original-Aktentitel lautet: Acten des Patrimonial Gerichts Marzdorf betreffend den hypothekarischen Zustand des im Dorfe Marzdorf belegenen, durch die Auseinandersetzung mit dem Gutsherrn eigenthümlich gewordenen, im Hypothekenbuche der Marzdorfschen bäuerlichen Grundstücke sub Nro I verzeichneten Bauernhofes. Hier ist der Link zum Digitalisat, das aber nur für registrierte Benutzer von metryki.genbaza.pl sichtbar ist., das auf 290 Blättern eine besonders tragische Geschichte erzählt.

Das älteste Dokument in der Akte ist ein Regulirungs- und Separations-Rezeß, der am 5. April 1826 in Marzdorf zwischen dem Gutsbesitzer Kalixtus v. Grabski und Stenzel Kluck abgeschlossen wurde2A. a. O., Blatt 17 bis 23. Der Vertrag stellt einen Sonderfall dar, denn eigentlich hatte die Regulierung der gutsherrschaftlichen und bäuerlichen Verhältnisse in Marzdorf schon im Jahr 1817 begonnen und war am 7. August 1822 durch die gerichtliche Vollziehung zum Abschluss gebracht worden3Ebenda, Blatt 17.. In diesem Verfahren, das die Dienstbauern und Kossäthen des Dorfes erstmals zu »erblichen Besitzern ihrer inhabenden Nahrungen«4Ebenda. machte, fand die Familie Kluck jedoch keine Erwähnung, denn Kalixtus von Grabski hatte den Dienstbauernhof, den Martin Kluck für das Rittergut bewirtschaftete, im August 1808 eingezogen und dem Schullehrer Lorenz Neumann »eigenthümlich überlaßen«5Ebenda. – Mehr zum Schullehrer Lorenz Neumann und seinem Sohn Johann findet sich hier..

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Anmerkungen:

  • 1
    Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 1, Laufzeit 1831-1888, Signatur 26/112/0/3/159 im Archiwum Państwowe Koszalin. Der Original-Aktentitel lautet: Acten des Patrimonial Gerichts Marzdorf betreffend den hypothekarischen Zustand des im Dorfe Marzdorf belegenen, durch die Auseinandersetzung mit dem Gutsherrn eigenthümlich gewordenen, im Hypothekenbuche der Marzdorfschen bäuerlichen Grundstücke sub Nro I verzeichneten Bauernhofes. Hier ist der Link zum Digitalisat, das aber nur für registrierte Benutzer von metryki.genbaza.pl sichtbar ist.
  • 2
    A. a. O., Blatt 17 bis 23
  • 3
    Ebenda, Blatt 17.
  • 4
    Ebenda.
  • 5
    Ebenda. – Mehr zum Schullehrer Lorenz Neumann und seinem Sohn Johann findet sich hier.

Lubsdorf in der Gebäudesteuerrolle von 1897

Im Herbst des vergangenen Jahres digitalisierte Leszek Ćwikliński im Archiwum Państwowe w Koszalin einen umfangreichen Bestand an Grundsteuerakten des Katasteramts in Deutsch Krone, der inzwischen für registrierte Nutzer der Plattform metryki.genbaza.pl zugänglich ist. Unter den Akten befindet sich auch eine Gebäudesteuerrolle von Lubsdorf, die ursprünglich im Jahre 1897 angelegt und bis 1909 fortgeschrieben wurde. Im Archiv in Köslin trägt die Rolle die Signatur 26/75/0/1/16, auf Genbaza ist sie (für registrierte Nutzer) hier zu finden. Ich habe die Namen und die wichtigsten Angaben aus der Gebäudesteuerrolle in eine Tabelle übernommen, die einen Einblick in die sozialen Verhältnisse in Lubdorf an der Wende zum 20. Jahrhundert gibt. Leider sind ähnliche Rollen für Brunk, Königsgnade und Marzdorf nicht überliefert.

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Im Herbst des vergangenen Jahres digitalisierte Leszek Ćwikliński im Archiwum Państwowe w Koszalin einen umfangreichen Bestand an Grundsteuerakten des Katasteramts in Deutsch Krone, der inzwischen für registrierte Nutzer der Plattform metryki.genbaza.pl zugänglich ist. Unter den Akten befindet sich auch eine Gebäudesteuerrolle von Lubsdorf, die ursprünglich im Jahre 1897 angelegt und bis 1909 fortgeschrieben wurde. Im Archiv in Köslin trägt die Rolle die Signatur 26/75/0/1/16, auf Genbaza ist sie (für registrierte Nutzer) hier zu finden. Ich habe die Namen und die wichtigsten Angaben aus der Gebäudesteuerrolle in eine Tabelle übernommen, die einen Einblick in die sozialen Verhältnisse in Lubdorf an der Wende zum 20. Jahrhundert gibt. Leider sind ähnliche Rollen für Brunk, Königsgnade und Marzdorf nicht überliefert.

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Die Gestapo in Marzdorf

Der nachfolgende Bericht stammt aus dem Nachlass des Lehrers Hubert Rehbronn (1888-1976), der von 1913 bis 1945 an der katholischen Volksschule in Tütz unterrichtete. Hubert Rehbronn war ein Bruder des Marzdorfer Pfarrers Leo Rehbronn, der seit April 1935 zusammen mit einem weiteren Bruder – Richard Rehbronn – und der Schwester Hedwig im Pfarrhaus von Marzdorf lebte. Formal behandelt der Bericht einen angeblichen Verstoß gegen den Flaggenvererlass vom 12. März 1933, mit dem Reichspräsident Paul von Hindenburg verfügte, an offiziellen Feiertagen die Hakenkreuzflagge neben der schwarz-weiß-roten Flagge des Reiches zu hissen. Auch Kirchen unterlagen dieser Beflaggungspflicht, die von Fall zu Fall polizeilich angeordnet und kontrolliert wurde. Natürlich war die Frage der Flagge nur ein Symptom für den totalitären Anspruch der nationalsozialistischen Diktatur. Es ging darum, alle konkurrierenden Organisationen auszuschalten und dass gesamte gesellschaftliche Leben zu bestimmen. Als konkurrierende Organisation galt – gerade in den katholischen Gebieten des Kreises Deutsch Krone – auch die katholische Kirche.1Der Bericht von Hubert Rehbronn wird hier erstmals nach dem Typoskript veröffentlicht, das sich im Besitz von Ursula und Gottlieb Koltermann befindet. Beiden gilt mein herzlicher Dank.

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Anmerkungen:

  • 1
    Der Bericht von Hubert Rehbronn wird hier erstmals nach dem Typoskript veröffentlicht, das sich im Besitz von Ursula und Gottlieb Koltermann befindet. Beiden gilt mein herzlicher Dank.

Die Herrschaft Marzdorf bis 1810

Die Brüder Onufry und Kalikst Grabski, die sich seit 1802 im Besitz von drei Vierteln der Herrschaft Marzdorf befanden, waren zwar bereits am 26. Februar 1803 bzw. am 4. Mai 1804 großjährig geworden1Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 332., aber diese Tatsache wurde vom Pupillen Collegium in Posen erst im Juni 1805 bemerkt. Grund für die Verzögerung waren unterschiedliche Großjährigkeitsregeln in den preußischen Provinzen: Während in Südpreußen – wie das Posener Land damals hieß – die Majorennität mit dem 24. Lebensjahr erreicht wurde, war das in Westpreußen mit dem 21. Lebensjahr der Fall. Die Brüder Grabski lebten zwar in Südpreußen, hatten aber Besitz in Westpreußen, und da »niemand zugleich majorenn und minorenn seyn kann«2A. a. O., Blatt 330. entschied die Regierung in Berlin am 22. Juni 1805 sie in beiden Provinzen für großjährig zu erklären.

Die beiden Brüder hielten sich zu dieser Zeit in Halle an der Saale auf, wo sie sich im Mai 1803 an der Universität eingeschrieben hatten, um »Cameralia zu Ihrem Vergnügen«3Immatrikulation der Brüder v. Grabski am 14.05.1803. In: Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Matrikelbücher 1791-1806, Signatur UAHW, Rep. 46, Nr. 7. Siehe dazu auch meine biographische Skizze über Kalixtus von Grabski hier. zu studieren. Als Heimatort hatten die Brüder bei der Immatrikulation Neustadt an der Warthe (heute: Nowe Miasto nad Wartą) angegeben und als Vormund »Maximilian von Grabski in Neustadt/Jabkowo«4Ebenda. benannt. Vermutlich setzten Onufry und Kalikst Grabski ihr Studium in Halle fort, bis im Oktober 1806 die Truppen Napoleons die Stadt besetzten und der Studienbetrieb zum Erliegen kam.

Immatrikulation der Gebrüder Grabski in Halle im Mai 1805.
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Anmerkungen:

  • 1
    Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 332.
  • 2
    A. a. O., Blatt 330.
  • 3
    Immatrikulation der Brüder v. Grabski am 14.05.1803. In: Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Matrikelbücher 1791-1806, Signatur UAHW, Rep. 46, Nr. 7. Siehe dazu auch meine biographische Skizze über Kalixtus von Grabski hier.
  • 4
    Ebenda.

Die Erbschaftswirren 1782-1802 – Teil II

Der erste Teil dieser Arbeit behandelt die Erbauseinandersetzung um die Herrschaft Marzdorf, die im Juni 1782 mit dem Tod von Franciszka Krzycka einsetzte. Im Februar 1788 konnte deren Tochter Eleonora Wyganowska Marzdorf in einer öffentlichen Versteigerung erwerben, musste den Erwerb jedoch anschließend in einem Prozess gegen ihren Schwager, den Grafen Sigismund von Grudna-Grudzinski, behaupten. Als Eleonora Wyganowska im Februar 1795 starb, begann ein neuerlicher Erbstreit, der bis 1802 andauerte.

Anders als ihre Mutter hatte Eleonora Wyganowska ein Testament hinterlassen, das am 28. April 17951Eine zweisprachige Abschrift des Testaments und das Protokoll der Eröffnung findet sich in Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 230-236. in Bromberg vor dem Kriminalrat und Justizkommissar Johann Christoph Krakau2Krakau, vormals Richter und Stadtschreiber im sächsischen Liebstadt, wurde am 2. November 1772 zum Mandatarius fisci und Kriminalrat in Bromberg ernannt. (Max Bär: Westpreußen unter Friedrich dem Großen, Bd. 1, Leipzig 1909, S. 128.) Im preußischen Staatshandbuch für das Jahr 1796 war er (auf Seite 199) immer noch als »Criminalrath« in Bromberg aufgeführt, aber vor 1799 ebenda verstorben. eröffnet wurde. Krakau war der langjährige Rechtsbeistand der Verstorbenen; er hatte sie im Verfahren gegen den Grafen Grudna-Grudzinski vertreten und am 31. August 1787 bei der Niederschrift des Testaments als Curatus sexus mitgewirkt. Beim Testament handelte sich um ein gegenseitiges Vermächtnis der Eheleute; das Dokument war in polnischer Sprache abgefasst, eigenhändig unterschrieben, mehrfach besiegelt und enthielt »theils eine Disposition der v. Wyganowska […] theils eine Disposition des Anton Lodzia v. Wyganowski«. Der Gerichtsinterpretator Meckien fertigte nach der Verlesung eine Übersetzung ins Deutsche.

Erste Seite des Testaments von Eleonora Wyganowska
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Anmerkungen:

  • 1
    Eine zweisprachige Abschrift des Testaments und das Protokoll der Eröffnung findet sich in Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 230-236.
  • 2
    Krakau, vormals Richter und Stadtschreiber im sächsischen Liebstadt, wurde am 2. November 1772 zum Mandatarius fisci und Kriminalrat in Bromberg ernannt. (Max Bär: Westpreußen unter Friedrich dem Großen, Bd. 1, Leipzig 1909, S. 128.) Im preußischen Staatshandbuch für das Jahr 1796 war er (auf Seite 199) immer noch als »Criminalrath« in Bromberg aufgeführt, aber vor 1799 ebenda verstorben.

Die Erbschaftswirren 1782-1802

Als die letzte Erbherrin von Marzdorf, Gräfin Franciszka von Kottwitz-Krzycka, geborene Skoroszewska, am 27. Juni 1782 in Iwno bei Kostrzyn starb, begann eine Zeit der Erbschaftswirren, die rund zwei Jahrzehnte andauerte. Die Gräfin hinterließ ihren Erben zwar weit über 10.000 Hektar Landbesitz in den großpolnischen Bezirken Rawicz und Poznań und im preußischen Netzedistrikt, aber sie hinterließ kein Testament und keine Regelung zur Erbteilung.

Die Erben waren die beiden Söhne Onufry und Józef Krzycki, die Tochter Eleonora Józefata, verehelichte Grudzińska, sowie die beiden minderjährigen Kinder der bereits verstorbenen Tochter Teresa Katarzyna, ebenfalls verehelichte Grudzińska, Antoni und Józefa. Eleonora und Teresa Krzycka hatten die beiden Brüder Adam Józef und Zygmunt Ignacy Ksawery Grudziński geheiratet, der erstere war aber bereits 1779 verstorbenen. Auch der um 1760 geborene Józef Krzycki galt noch als minorenn, denn er lebte in Polen, wo die volle Großjährigkeit erst mit Erreichen des 30. Lebensjahres erreicht wurde.

Der dickste Brocken in der Hinterlassenschaft der Gräfin war zweifellos die Herrschaft Marzdorf, die damals mit Brunk, Dreetz, Lubsdorf, Mellentin, Ruschendorf, Stibbe und Strahlenberg allein etwa 8.500 Hektar1Der gesamte Besitz war zu jener Zeit noch unvermessen; die Größen werden näherungsweise nach dem General-Adressbuch der Ritterguts- und Gutsbesitzer in Norddeutschland, Band IV (Westpreußen), Berlin 1872 und dem Adressbuch des Grundbesitzes im Großherzogthum Posen, Berlin 1872 angegeben. maß. Hinzu kamen in Großpolen die kleineren Gutskomplexe um Iwno (rund 1.500 Hektar) sowie um Sielec bei Jutrosin – zu dem auch Groß Łęka, Osiek, Wilkonice und Zaorle gehörten – mit insgesamt etwa 3.000 Hektar. Den Gesamtwert des Besitzes in Großpolen schätzte Onufry Krzycki 1782 auf 240.000 polnische Gulden2Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 18., also 80.000 preußische Taler. Den Marzdorfer Besitz veranschlagte er auf 109.000 Taler3Ebenda, Blatt 16.. Selbst wenn diese Angaben zu hoch gegriffen waren, galt es jedenfalls ein Vermögen zu verteilen.

Kirchenbuchauszug über den Tod von Franciszka Krycka, die 1788 im Alter von etwa 55 Jahren in Iwno verstarb und in der Kirche des Reformaten-Klosters in Görchen begraben wurde.
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Anmerkungen:

  • 1
    Der gesamte Besitz war zu jener Zeit noch unvermessen; die Größen werden näherungsweise nach dem General-Adressbuch der Ritterguts- und Gutsbesitzer in Norddeutschland, Band IV (Westpreußen), Berlin 1872 und dem Adressbuch des Grundbesitzes im Großherzogthum Posen, Berlin 1872 angegeben.
  • 2
    Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 18.
  • 3
    Ebenda, Blatt 16.

Die Herrschaft Marzdorf im Jahr 1782 – Teil Ⅱ

Im Jahr 1782 begann der preußische Staat mit der Einrichtung des ritterschaftlichen Hypothekenwesens für den Marzdorfer Güterkomplex. In Teil Ⅰ dieser Arbeit gab ich ein umfangreiches Dokument wieder, das Onuphrius von Krzycki am 25. Oktober 1782 dem westpreußische Hofgericht in Bromberg übersandte, um den Umfang und die Eigentumsverhältnisse des Marzdorfer Besitzes darzulegen. Bereits am 28. Oktober 1782 forderte das Hofgericht die Kreis-Justiz-Kommission in Schneidemühl auf, »binnen 3 Wochen«1Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 9. vor Ort weitere Informationen einzuholen.

In Schneidemühl war der Kreis-Justiz-Actuarius Christoph Zacha (1757-1813) mit der Angelegenheit befasst. Zacha wurde als Sohn eines Kürschnermeisters in Saalfeld [heute: Zalewo] im Kreis Mohrungen geboren, hatte das Gymnasium in Elbing sowie die Universität in Königsberg besucht und erlebte nach 1778 in der preußischen Bürokratie – auch aufgrund seiner polnischen Sprachkenntnisse – einen raschen Aufstieg, in dessen Folge er 1790 nobilitiert wurde2Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, München 2009, S. 1134. – Straubel datiert den Eintritt Zachas in die Schneidemühler Kreis-Justiz-Kommission irrtümlich erst auf das Jahr 1784.. In einem Schreiben vom 10. November 1782 setzte Zacha einen Ortstermin auf den 19. November in Marzdorf an:

»Vigore Commissionis Eines Königl. West Preuß. Hof Gerichts mache ich denen Erben der verstorbenen Frau Castellanin von Kottwitz Krzyka geborene von Skorzewska hierdurch bekannt, daß ich zur Regulirung des Hypothequen Wesens deren Matzdorffschen3Zacha schrieb in den Akten grundsätzlich Matzdorff, der ortsansässige Administrator Polzin hingegen Marzdorf. In dem unten zitierten Protokoll findet sich nur zu Beginn die Schreibweise Matzdorff, im weiteren Verlauf schrieb Protokollführer Müller durchgängig Martzdorff. Güter Terminium auf den 19ten November d. J. zu Matzdorf angesezet habe. – An diesem Tage werden sämtliche Erben der genannten Defuncta in bestimmten Orte sich einfinden und über folgende Umstände ausführliche und bestimmte Data angegeben […]«4Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 19.

Im Folgenden listete Zacha neun Punkte auf, zu denen er »Assignationes und Relationes, […] Quittungen über gezahlte Kaufgelder, Testamente, Decrete und Testate, Ordinationes familiarum […], Renuntiations-Acten […], Schuld-Verschreibungen, Cautiones, Notate« und sonstige Dokumente »sorgfältig geordnet«5A. a. O., Blatt 20. verlangte. Die einzelnen Punkte umfassten die Besitzrechte und die Nutzung der Güter, aber auch bestehende Versicherungen, Verpflichtungen und etwaige Stiftungen, die auf ihnen lasteten.

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Anmerkungen:

  • 1
    Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 9.
  • 2
    Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, München 2009, S. 1134. – Straubel datiert den Eintritt Zachas in die Schneidemühler Kreis-Justiz-Kommission irrtümlich erst auf das Jahr 1784.
  • 3
    Zacha schrieb in den Akten grundsätzlich Matzdorff, der ortsansässige Administrator Polzin hingegen Marzdorf. In dem unten zitierten Protokoll findet sich nur zu Beginn die Schreibweise Matzdorff, im weiteren Verlauf schrieb Protokollführer Müller durchgängig Martzdorff.
  • 4
    Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 19.
  • 5
    A. a. O., Blatt 20.

Die Herrschaft Marzdorf im Jahr 1782

Vorbemerkung

Im März 1777 begann der preußische Staat im neu »aquirierten« Netzedistrikt mit der Einrichtung des ritterschaftlichen Hypothekenwesens, die ein Jahrzehnt später mit der Gründung der Westpreußischen Landschaft ihren Abschluss fand. Die Maßnahme geschah im Interesse des grundbesitzenden Adels, der damit rechtsverbindliche Besitztitel und staatlich abgesicherten Zugang zu zinsstabilen Krediten erhielt. Im Archiwum Państwowe in Köslin wird eine umfangreiche Akte des Amtsgerichts Märkisch Friedland verwahrt, die ursprünglich vom westpreußischen Hofgericht in Bromberg geführt wurde1Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156.. Die Akte behandelt die Einrichtung des Hypothekenwesens in der Herrschaft Marzdorf in den Jahren 1782 bis 1810 und ist eine wertvolle Quelle zur Lokal- und Reginalgeschichte des Deutsch Kroner Landes.

Marzdorf gehörte zu den vielen kleineren Herrschaften im Netzedistrikt, die ihren Besitzern »gegen vier bis sechs Tausend Thaler«2August Karl Holsche: Der Netzdistrikt ein Beytrag zur Länder- und Völkerkunde mit statistischen Nachrichten, Königsberg 1793, S. 209f. pro Jahr einbrachten und zwischen 100.000 und 150.000 Taler Wert waren. Bereits am 27. März 1777 hatte die Besitzerin der Herrschaft, Franciszka z Skoroszewskich Krzycka, ihrem Administrator Andreas Polzin eine umfassende Vollmacht zur »Einrichtung und Beantwortung der Puncten des Hypothequen-Wesens meiner Marzdorfschen Güter«3Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 29. erteilt. Franciszka von Krzycka lebte selbst nicht in Marzdorf; sie besaß mehrere weiteren Gutsherrschaften in Polen, in denen sie sich meist aufhielt. Die eigentliche Hypothekenakte beginnt am 25. Oktober 1782 als ihr Sohn Onuphrius von Krzycki dem Hofgericht in Bromberg mitteilte, seine Mutter sei »im Julio in Pohlen«4Laut Totenschein starb Franciszka von Krzycka am 25. Juni 1782 in Iwno im Posener Land. Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 121. verstorben, und »allerunterthänigst« um die »Bewilligung des Hypothequen Wesens« und des »Titulum Possessionis« für die »Marzdorfschen Erbgüter«5Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 10 u. 11. bat. Seinem Brief legte von Krzycki eine umfangreiche Schilderung der Verhältnisse in Marzdorf 6Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 12 bis 18. bei, die vermutlich Administrator Polzin erstellt hatte, und die ich im Folgenden wortgetreu wiedergebe.

Titelblatt der Hypotheken-Akte
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Anmerkungen:

  • 1
    Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156.
  • 2
    August Karl Holsche: Der Netzdistrikt ein Beytrag zur Länder- und Völkerkunde mit statistischen Nachrichten, Königsberg 1793, S. 209f.
  • 3
    Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 29.
  • 4
    Laut Totenschein starb Franciszka von Krzycka am 25. Juni 1782 in Iwno im Posener Land. Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 121.
  • 5
    Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 10 u. 11.
  • 6
    Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 12 bis 18.

Kalixtus von Grabski 1783-1835

Teil 3 – Weiteres Unglück und früher Tod

Kalixtus von Grabski war als Nachfahre der Tützer Wedel (Wedel-Tuczyński) der letzte Erbherr der Herrschaft Marzdorf. Teil 1 dieser biografischen Skizze behandelt sein Leben bis ins Jahr 1818; Teil 2 berichtet vom Verlust der Marzdorfer Güter, die nach der Zwangsversteigerung im Sommer 1833 an Carl Friedrich Kloer fielen.

Nach dem Johannistag 1833 übersiedelte Kalixtus von Grabski mit seiner Familie nach Tütz, wo Carl von Hartmann, ein Bruder seiner Frau, noch einen kleinen Besitz von »14 Morgen Sandboden«1E. J. Krefft: Aus der Pfarrchronik von Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020. S. 9. besaß. Grabski kam jedoch nicht bei diesem Verwandten unter, sondern mietete sich in »dem Johann Hagen seinem Haus«2Johannes Dreger: Als einst das Großfeuer in Tütz wütete. In: Deutsch Kroner und Schneidemühler Heimatbrief, Nr. 10, Oktober 1957, S. 11. ein, das gegenüber der jüdischen Synagoge in der Stadtmitte lag.

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Anmerkungen:

  • 1
    E. J. Krefft: Aus der Pfarrchronik von Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020. S. 9.
  • 2
    Johannes Dreger: Als einst das Großfeuer in Tütz wütete. In: Deutsch Kroner und Schneidemühler Heimatbrief, Nr. 10, Oktober 1957, S. 11.

Kalixtus von Grabski 1783-1835

Teil 2 – Der Verlust der Marzdorfer Güter

Kalixtus von Grabski war als Nachfahre der Tützer Wedel (Wedel-Tuczyński) der letzte Erbherr der Herrschaft Marzdorf. Teil 1 dieser biografischen Skizze behandelt sein Leben bis ins Jahr 1818. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege hatte Grabski Ernestine von Hartmann geheiratet und sich als Gutsherr in Marzdorf niedergelassen.

Grabskis Hauptprojekt in jenen Jahren war die Modernisierung des Marzdorfer Guts, wozu notwendigerweise die Durchführung der Bauernbefreiung gehörte. Nach eigener Aussage war Grabski »einer der ersten in hiesiger Provinz, der im Jahre 1814 auf die Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse anfrug«1Brief Grabskis an Friedrich Wilhelm III. vom 3. April 1832. In: Königliches Civil-Kabinet: Reclamationen des Gutsbesitzers von Grabski, GStA PK, 1. HA, Rep. 89, Nr. 30899, Blatt 64.. Da das Regulierungs-Edikt vom September 1811 aber erst im Mai 1816 um eine Ausführungsdeklaration ergänzt wurde, verschob sich der Prozeß der Auflösung der feudalen Bindungen in Marzdorf bis in den Januar 1817. Eine detailreiche Schilderung der Umsetzung findet sich in der Pfarrchronik von Marzdorf2E. J. Krefft: Aus der Pfarrchronik von Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020. S. 10-15..

Grabski hatte sich entschlossen, das Gut und die Bauernwirtschaften in seiner Herrschaft räumlich zu trennen; er erbaute daher ein komplettes neues Dorf »aus 25 Bauerngehöften mit 30 Feuerstellen und beinahe 100 Gebäuden bestehend« auf der offenen Feldmark. Er nannte das Dorf, das »zu den schönsten in der Provinz gezählt werden mag«, Königsgnade, »in dem Vertrauen, daß die Gnade meines Allerdurchlauchtigsten Königs und Herren es mir möglich machen werde, mich dereinst der Früchte dieser Anlage zu erfreuen«3Brief Grabskis an Friedrich Wilhelm III. vom 3. April 1832, a. a. O., Blatt 64 Rückseite.. Pfarrer Krefft argwöhnte in der Pfarrchronik hinter der Aussiedlung der Marzdorfer Bauern den Einfluss von Ernestine von Grabski, die als »glühende Protestantin allen katholischen Bauern befahl, an die Grenzen des Gutes zu ziehen«4Krefft, Pfarrchronik, a. a. O., S. 9. – aber das ist kaum mehr als eine Unterstellung. Ablösung und Austuung waren die beiden Grundprinzipien der Eigentumsverleihung in Preußen; eine Trennung von Gutsbetrieb und bäuerlichen Wirtschaften machte ökonomisch Sinn und wurde auf vielen anderen Gütern ebenso durchgeführt5Interessant ist in diesem Zusammenhang die Darstellung der Herrschaft Groß Bellschwitz, die der Familie von Brünneck gehörte, in Benno Martiny: Fünfzig Jahre der Landwirthschaft Westpreußens. 1872, S. 120., S 285-306.. Ein Beispiel findet sich gleich in der unmittelbaren Nachbarschaft: Auch der Besitzer von Prochnow, Landrat von Germar, siedelte die freigewordenen Bauern seines Gutes im Verlauf der 1820er Jahre in das neugegründete Neu-Prochnow aus6Sigfrid Schneider: Die geographische Verteilung des Großgrundbesitzes im östlichen Pommern und ihre Ursachen, Leipzig 1942, S. 47..

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Anmerkungen:

  • 1
    Brief Grabskis an Friedrich Wilhelm III. vom 3. April 1832. In: Königliches Civil-Kabinet: Reclamationen des Gutsbesitzers von Grabski, GStA PK, 1. HA, Rep. 89, Nr. 30899, Blatt 64.
  • 2
    E. J. Krefft: Aus der Pfarrchronik von Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020. S. 10-15.
  • 3
    Brief Grabskis an Friedrich Wilhelm III. vom 3. April 1832, a. a. O., Blatt 64 Rückseite.
  • 4
    Krefft, Pfarrchronik, a. a. O., S. 9.
  • 5
    Interessant ist in diesem Zusammenhang die Darstellung der Herrschaft Groß Bellschwitz, die der Familie von Brünneck gehörte, in Benno Martiny: Fünfzig Jahre der Landwirthschaft Westpreußens. 1872, S. 120., S 285-306.
  • 6
    Sigfrid Schneider: Die geographische Verteilung des Großgrundbesitzes im östlichen Pommern und ihre Ursachen, Leipzig 1942, S. 47.

Kalixtus von Grabski 1783-1835

Teil 1 – Jugend und Heirat

Der letzte Erbherr der Herrschaft Marzdorf verleitet zu vorschnellen Urteilen. Schon die Zeitgenossen – so der preußische Staatsmann Theodor von Schön – steckten ihn rasch in eine Schublade, in der ihn die Historiker des Deutsch Kroner Landes später endgültig fixierten. Sie alle schlossen vom Namen auf die Nationalität und von dieser auf die Gesinnung, die sie, je nach Standpunkt, negativ oder positiv werteten. Bei diesem Verfahren wurde aus dem letzten Erbherrn des Marzdorfer Guts entweder ein untüchtiger polnischer Gutsherr1K. Hunger: Geschichte des Dorfs Brunk. Semesterarbeit, Beuthen 1936, S. 45. oder aber ein polnischer antipreußischer Patriot2L. Bąk: Ziemia Wałecka w dobie reformacji i kontrreformacji w XVI–XVIII w. [Reformation und Gegenreformation im Deutsch Kroner Land vom 16. bis 18. Jahrhundert]. Piła 1999, S. 18..

Bei näherem Hinsehen ist jedoch schon die erste Stufe der angeblichen Kausalität nicht ganz trittfest. In den – im übrigen ausnahmslos deutschsprachigen – Briefen und Dokumenten, die vom letzten Marzdorfer Erbherrn überliefert sind, ist der Name keinesfalls eindeutig, denn sie weisen die folgenden Unterschriften auf: Im Jahr 1803 Maximilian Joseph Kalixt v. Grabski 3Immatrikulation der Brüder v. Grabski am 14.05.1803. In: Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Matrikelbücher 1791-1806, Signatur UAHW, Rep. 46, Nr. 7., 1822 Kalixtus v. Grabsky4Dienstbrief für den Schullehrer Johann Neumann vom 17.07.1822, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) in Berlin, Signatur HA XIV, Rep. 181, Nr. 8839, Seite 142., 1830 K. von Grabsky5Königl. Preußische Regierung zu Marienwerder: Acta das Hospital in Martzdorff betreffend. LDS-Film 008464556, S. 265., 1832 Kalixtus v. Grabski6Brief Grabskis an Friedrich-Wilhelm III., König von Preußen vom 3.04.1832, in: GStA PK, Signatur I. HA, Rep. 89, Nr. 30899, Blatt 67 (Rückseite).. In der Todesnachricht im Deutschen Nekrolog von 1837, die zweifellos von der Familie initiiert war, wird er als Jos. Calixtus Maximil. Grabo v. Grabski7Neuer Nekrolog der Deutschen. [Hrsg.: Bernhard Friedrich Voigt], 13. Jahrgang: 1835, Zweyter Theil, Weimar (Voigt) 1837, S. 1217. bezeichnet. Eine polnische Schreibweise des Namens findet man erst in der Gegenwart; sie hat sich allerdings über das Internet durchgesetzt, wo der Name durchgängig Kalikst Józef Maksymilian z Grabu Grabski 8So bei S. J. Plewako: Kalikst Józef Maksymilian z Grabu Grabski. Internetadresse: http://www.grabski.plewako.pl/. Dieser Webseite wurden auch die genealogischen Angaben entnommen, die jedoch auch an anderer Stelle (z.B. https://www.sejm-wielki.pl/) zu finden sind. Plewako ist ein direkter Nachfahr von Kalixtus von Grabski. geschrieben wird.

Todesanzeige im »Neuen Nekrolog der Deutschen«, Januar 1835
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Anmerkungen:

  • 1
    K. Hunger: Geschichte des Dorfs Brunk. Semesterarbeit, Beuthen 1936, S. 45.
  • 2
    L. Bąk: Ziemia Wałecka w dobie reformacji i kontrreformacji w XVI–XVIII w. [Reformation und Gegenreformation im Deutsch Kroner Land vom 16. bis 18. Jahrhundert]. Piła 1999, S. 18.
  • 3
    Immatrikulation der Brüder v. Grabski am 14.05.1803. In: Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Matrikelbücher 1791-1806, Signatur UAHW, Rep. 46, Nr. 7.
  • 4
    Dienstbrief für den Schullehrer Johann Neumann vom 17.07.1822, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) in Berlin, Signatur HA XIV, Rep. 181, Nr. 8839, Seite 142.
  • 5
    Königl. Preußische Regierung zu Marienwerder: Acta das Hospital in Martzdorff betreffend. LDS-Film 008464556, S. 265.
  • 6
    Brief Grabskis an Friedrich-Wilhelm III., König von Preußen vom 3.04.1832, in: GStA PK, Signatur I. HA, Rep. 89, Nr. 30899, Blatt 67 (Rückseite).
  • 7
    Neuer Nekrolog der Deutschen. [Hrsg.: Bernhard Friedrich Voigt], 13. Jahrgang: 1835, Zweyter Theil, Weimar (Voigt) 1837, S. 1217.
  • 8
    So bei S. J. Plewako: Kalikst Józef Maksymilian z Grabu Grabski. Internetadresse: http://www.grabski.plewako.pl/. Dieser Webseite wurden auch die genealogischen Angaben entnommen, die jedoch auch an anderer Stelle (z.B. https://www.sejm-wielki.pl/) zu finden sind. Plewako ist ein direkter Nachfahr von Kalixtus von Grabski.