Die Herrschaft Marzdorf bis 1810

Die Brüder Onufry und Kalikst Grabski, die sich seit 1802 im Besitz von drei Vierteln der Herrschaft Marzdorf befanden, waren zwar bereits am 26. Februar 1803 bzw. am 4. Mai 1804 großjährig geworden1Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 332., aber diese Tatsache wurde vom Pupillen Collegium in Posen erst im Juni 1805 bemerkt. Grund für die Verzögerung waren unterschiedliche Großjährigkeitsregeln in den preußischen Provinzen: Während in Südpreußen – wie das Posener Land damals hieß – die Majorennität mit dem 24. Lebensjahr erreicht wurde, war das in Westpreußen mit dem 21. Lebensjahr der Fall. Die Brüder Grabski lebten zwar in Südpreußen, hatten aber Besitz in Westpreußen, und da »niemand zugleich majorenn und minorenn seyn kann«2A. a. O., Blatt 330. entschied die Regierung in Berlin am 22. Juni 1805 sie in beiden Provinzen für großjährig zu erklären.

Die beiden Brüder hielten sich zu dieser Zeit in Halle an der Saale auf, wo sie sich im Mai 1803 an der Universität eingeschrieben hatten, um »Cameralia zu Ihrem Vergnügen«3Immatrikulation der Brüder v. Grabski am 14.05.1803. In: Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Matrikelbücher 1791-1806, Signatur UAHW, Rep. 46, Nr. 7. Siehe dazu auch meine biographische Skizze über Kalixtus von Grabski hier. zu studieren. Als Heimatort hatten die Brüder bei der Immatrikulation Neustadt an der Warthe (heute: Nowe Miasto nad Wartą) angegeben und als Vormund »Maximilian von Grabski in Neustadt/Jabkowo«4Ebenda. benannt. Vermutlich setzten Onufry und Kalikst Grabski ihr Studium in Halle fort, bis im Oktober 1806 die Truppen Napoleons die Stadt besetzten und der Studienbetrieb zum Erliegen kam.

Immatrikulation der Gebrüder Grabski in Halle im Mai 1805.

Anfang 1807 hielt sich zumindest Onufry Grabski in Marzdorf auf, wo er sich am 6. Mai vom Pächter Casimir Marten in Stibbe 3.000 Reichstaler gegen einen Schuldschein lieh. Marten verlangte die Eintragung der Schuld ins Hypothekenbuch von Marzdorf, was von der westpreußischen Regierung in Marienwerder am 10. Mai 1808 gestattet wurde, nachdem »Bedenken gegen die Dispositionsfähigkeit des Onuphrius Anton Stanislaus v. Grabski«5Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 331. ausgeräumt waren. Auf Anfrage der Regierung hatte das Kreisgerichts-Referendar Conrad in Märkisch Friedland der Regierung bestätigen müssen, dass Onufry nicht nur großjährig, sondern auch »der deutschen Sprache vollkommen kundig«6A. a. O., Blatt 327. sei. Die Schuld, für die beide Brüder »solidarisch« zu haften hatten, wurde daraufhin mit einer Verzinsung von sechs Prozent in die Rubrik III des Hypothekenbuchs aufgenommen7Ebenda..

Vielleicht benötigte Onufry Grabski das Geld, um die Armee zu unterstützen, die Jan Henryk Dąbrowski zu dieser Zeit zur Wiederherstellung Polens aufstellte. Joseph Dalski, der Offizial der katholischen Kirche in Deutsch Krone, berichtete jedenfalls am 6. Juni 1807 an seinen Kontaktmann Major Reinhold in Bromberg, der »Erbe von Marzdorf, Felix [sic!] Grabski« habe 14 Rekruten »für die Wiedergeburt des Vaterlandes«8Ludwik Bąk: Ziemia Wałecka w dobie reformacji i kontrreformacji w XVI–XVIII w. Piła (Ekolog) 1999, S. 18 Fußnote. gestellt, von denen allerdings sechs sehr bald wieder entflohen.

Im Juli 1808 bekannte Kalikst Grabski, dass auch er Casimir Marten »für geleistete Lieferungen[,] Krieges Prästationen, Vorschüße an Unterthanen etc.« 2.200 Taler schuldig geworden sei. Grabski versprach, diese Summe nach dreimonatiger Aufkündigung bar zurückzuzahlen und willigte auch darin ein, die Schuld, die mit sechs Prozent zu verzinsen war, hypothekarisch abzusichern. Der Eintrag ins Hypothekenbuch der Herrschaft Marzdorf, »jedoch allein auf den dem Calixtus v. Grabu Grabski« zustehenden Anteil, wurde am 9. August 1808 vorgenommen.9Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 334..

Bereits im Januar 1809 benötigte die Brüder Grabski weitere Mittel, die sie beim jüdischen Kaufmann Joseph Moses Stargard10Stargard, dessen Haus am Marktplatz lag, war einer der wohlhabendsten Einwohner von Märkisch Friedland. Im Jahr 1806 hatte er der preußischen Königin Luise bei ihrer Flucht nach Ostpreußen Pferde zur Verfügung gestellt (Samuel Goldschmidt: Sind die Juden vaterlandslos? In: Allgemeine Zeitung des Judenthums, 61. Jahrgang, Nr. 1, Berlin, 1. Januar 1897, S. 4-5.), 1811 erhielt er als erster der Märkisch Friedländer Juden die preußische Staatsbürgerschaft (General-Verzeichnis sämmtlicher in dem Departement der Königl. Regierung von Westpreußen vorhandenen Juden, welchen das Staatsbürger-Recht ertheilet worden, Marienwerder [1812], S. 70.) in Märkisch Friedland liehen. Am 25. Januar 1809 überreichte Stargard der preußischen Regierung zwei Obligationen über 2.500 und 2.600 Taler, die am 14. Februar 1809 ins Hypothekenbuch eingetragen wurden. Beide Obligationen sollten nach Ablauf von zwei Jahren zurückgezahlt werden und sich bis dahin jährlich mit fünf Prozent verzinsen11Acta des Amtsgerichts …, Blatt 343 u. 344..

Joseph Moses Stargard lässt am 25. Januar 1809 zwei Obligationen auf Marzdorf eintragen.

Grabski äußerte später, die »drückenden Lasten des Krieges«, hätten ihn, »an der großen Militairstraße nach Rußland wohnend« besonders getroffen12Brief Grabskis an Friedrich-Wilhelm III., König von Preußen vom 3.04.1832, in: GStA PK, Signatur I. HA, Rep. 89, Nr. 30899, Blatt 64.. Auch Karl Hunger berichtet in seiner Geschichte des Dorfes Brunk von hohen Abgaben, Einquartierungen und Fouragelieferungen in der Zeit nach 1807, jedoch insbesondere im Jahr 181213Karl Hunger: Geschichte und Volkskunde des Dorfes Brunk im Kreis Deutsch Krone, Köln 2021, S. 55. Ob die geliehenen Gelder mit diesen Kriegslasten in Zusammenhang standen, ist nicht bekannt.

Am 4. März 1810 wandte sich der Justiz-Commissar Friedrich Gottlob Hennig (1779-1845) aus Marienwerder an die westpreußische Regierung und teilte mit, Antoni v. Wyganowski und die Brüder Onufry und Kalikst v. Grabski hätten sich am 15. Januar des Jahres »über die gegenseitig statt gehabten Ansprüche aus einandergesetzt und verglichen«14Acta des Amtsgerichts …, Blatt 350.. Er übergab der Regierung einen Vorvertrag und erbat einen Termin zu dessen Verlautbarung. Er selbst werde als Anwalt die Gebrüder Grabski vertreten, Antoni Wyganowski habe »den Referendarius Conrad« aus Märkisch Friedland bevollmächtigt.

Die Regierung setzte einen ersten Termin auf den 14. April 1810 an, bei dem die beiden Anwälte jedoch erklärten, von ihren Mandanten die zu löschenden Protestationen und Hypothekenscheine noch nicht erhalten zu haben15A. a O., Blatt 353. Es wurde daher ein weiterer Termin auf den 26. Mai des Jahres festgesetzt, der aber ebenfalls ohne Resultat blieb16A. a. O., Blatt 356.. Der nächste Termin fand am 4. August 1810 statt; über ihn heißt es in den Hypothekenakten:

In der Martzdorffschen Hypoth. Sache erschien in dem heutigen 3ten Termin zur Verlautbarung des zwischen dem Anton v. Wyganowski und den Gebr. v. Grabski über den 4ten Theil von Martzdorff geschloßenen Abtretungsvertrages und der über die Auszahlung der 102,200 Taler Brautschatzgelder angelegten Berechnung pers. wieder der J. C. Hennig für die Gebr. v. Grabski und der Ref. Conrad für den v. Wyganowski. Sie erklären aber, daß sie aller wiederholten Anforderungen ungeachtet keine Information u. diejenigen hypoth. Scheine nicht mitgetheilt erhalten hatten, welche zur Löschung der eingetragenen Protestationen sub n. 9 und 10 erforderlich wären. Eben so wenig könnten sie sich auslaßen wie es mit den sub n. 11 u. 12 eingetragenen Protestationen weiter [gehen] solle, ob die Gebr. v. Grabski sie unbedingt mit übernehmen oder ob der v. Wyganowski zu irgendeinem Regreß sich anheischig machen wolle.17A. a. O., Blatt 361.

Für die drei geplatzten Termine stellte die Regierung Kosten in Höhe von 11 Talern, 48 Groschen und 13 ½ Pfennigen in Rechnung, die binnen 14 Tagen zahlbar waren18A. a O., Blatt 362. Mit dieser Kostennote endet die Hypothekenakte von Marzdorf. Aus der Beilagenakte zum Hypothekenbuch, die ebenfalls im Archiwum Państwowe in Koszalin vorliegt, wissen wir jedoch, das der Vergleich zwischen Antoni Wyganowski und den Brüdern Grabski noch im Jahr 1810 erfolgt sein muss, denn am 18. Oktober dieses Jahres teilten Onufry und Kalikst Grabski als nunmehr alleinige Eigentümer die Herrschaft Marzdorf untereinander auf19Beilage-Acten zu dem Hypotheken-Buche der […] im Deutsch-Croneschen Kreise gelegenen freien Allodial-Güter Dorf Marzdorff No. 170 incl. Vorwerk Bettin, Dorf und Vorwerk Brunk No 22, Dorf Lubsdorff No. 159, inclusive Vorwerk Dreetz, Laufzeit 1839-1845, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/192, Blatt 1 Rückseite.. Der erste erhielt bei dieser Aufteilung Stibbe, Ruschendorf, Strahlenberg und Mellentin, dem letzteren fielen Marzdorf mit Böthin und Dreetz sowie Brunk und Lubsdorf zu. Den Wert des dem »Kalixtus Joseph Maximilien von Grabski bei der Theilung der mit seinem Bruder, dem Onuphrius Antonius Stanislaus von Grabski vorher gemeinschaftlichen beseßenen Herrschaft Marzdorff« zugefallenen Anteils bezifferte die Regierung in Marienwerder, die den Teilungsvertag allerdings erst am 11. Januar 1815 gerichtlich verlautbarte und am 30. Mai bestätigte, auf 66.050 Taler20Ebenda..

Seit dem 18. Oktober 1810 war Kalikst Grabski also alleiniger Eigentümer des Marzdorfer Guts, das er auch selbst bewirtschaftete. Schon 1807 wird er als Patron der örtlichen Pfarrkirche bezeichnet21E. J. Krefft: Aus der Pfarrchronik von Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020. S. 8., ab 1808 benennen ihn auch die kirchlichen Schultabellen als Patron22Königl. Preußische Regierung Marienwerder: Acta die Schul Tabellen aus der Posenschen Diöcese betreffend [1808], in: LDS-Film 008106931.. Wie hoch die Schuldenlast der Güter zu jener Zeit war, ist freilich unbekannt, weil die Fortsetzung des Hypothekenbuchs fehlt.

Besitztitel der Herrschaft Marzdorf für Kalixtus Joseph Maximilian von Grabski vom 30. Mai 1815

Anmerkungen:

  • 1
    Acta des Amtsgerichts in Märkisch Friedland betr. die Einrichtung des Hypothekenwesens von dem zum Marzdorfschen Schlüssel gehörigen Allodial-Rittergute Marzdorf und dem dazu gehörigen Vorwerke Dreetz im Jahr 1782, Laufzeit 1782-1810, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/156, Blatt 332.
  • 2
    A. a. O., Blatt 330.
  • 3
    Immatrikulation der Brüder v. Grabski am 14.05.1803. In: Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Matrikelbücher 1791-1806, Signatur UAHW, Rep. 46, Nr. 7. Siehe dazu auch meine biographische Skizze über Kalixtus von Grabski hier.
  • 4
    Ebenda.
  • 5
    Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 331.
  • 6
    A. a. O., Blatt 327.
  • 7
    Ebenda.
  • 8
    Ludwik Bąk: Ziemia Wałecka w dobie reformacji i kontrreformacji w XVI–XVIII w. Piła (Ekolog) 1999, S. 18 Fußnote.
  • 9
    Acta des Amtsgerichts …, a. a. O., Blatt 334.
  • 10
    Stargard, dessen Haus am Marktplatz lag, war einer der wohlhabendsten Einwohner von Märkisch Friedland. Im Jahr 1806 hatte er der preußischen Königin Luise bei ihrer Flucht nach Ostpreußen Pferde zur Verfügung gestellt (Samuel Goldschmidt: Sind die Juden vaterlandslos? In: Allgemeine Zeitung des Judenthums, 61. Jahrgang, Nr. 1, Berlin, 1. Januar 1897, S. 4-5.), 1811 erhielt er als erster der Märkisch Friedländer Juden die preußische Staatsbürgerschaft (General-Verzeichnis sämmtlicher in dem Departement der Königl. Regierung von Westpreußen vorhandenen Juden, welchen das Staatsbürger-Recht ertheilet worden, Marienwerder [1812], S. 70.)
  • 11
    Acta des Amtsgerichts …, Blatt 343 u. 344.
  • 12
    Brief Grabskis an Friedrich-Wilhelm III., König von Preußen vom 3.04.1832, in: GStA PK, Signatur I. HA, Rep. 89, Nr. 30899, Blatt 64.
  • 13
    Karl Hunger: Geschichte und Volkskunde des Dorfes Brunk im Kreis Deutsch Krone, Köln 2021, S. 55.
  • 14
    Acta des Amtsgerichts …, Blatt 350.
  • 15
    A. a O., Blatt 353
  • 16
    A. a. O., Blatt 356.
  • 17
    A. a. O., Blatt 361.
  • 18
    A. a O., Blatt 362.
  • 19
    Beilage-Acten zu dem Hypotheken-Buche der […] im Deutsch-Croneschen Kreise gelegenen freien Allodial-Güter Dorf Marzdorff No. 170 incl. Vorwerk Bettin, Dorf und Vorwerk Brunk No 22, Dorf Lubsdorff No. 159, inclusive Vorwerk Dreetz, Laufzeit 1839-1845, Fundort: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 26/112/0/3/192, Blatt 1 Rückseite.
  • 20
    Ebenda.
  • 21
    E. J. Krefft: Aus der Pfarrchronik von Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020. S. 8.
  • 22
    Königl. Preußische Regierung Marienwerder: Acta die Schul Tabellen aus der Posenschen Diöcese betreffend [1808], in: LDS-Film 008106931.

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