Die nachfolgende Geschichte in der heute vergessenen Mundart des Deutsch Kroner-Landes erschien erstmals im Mai 1959 im »Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl« auf den Seiten 14 und 15. Als Verfasser gab der »Rundbrief« das Kürzel »H. H.« an – dahinter verbirgt sich vermutlich der Tützer Lehrer Hubert Hilarius Rehbronn, der 1888 in Lubsdorf geboren wurden und 1976 in München starb.
Den Hintergrund der Geschichte bildet die Reichstagswahl vom 20. Mai 1928, bei der erstmals der Schneidemühler Lehrer Brunislaus Warnke für das Zentrum kandidierte. Warnke stammte aus Zippnow, hatte das Gymnasium in Deutsch Krone besucht und war auch einmal Seminar-Oberlehrer gewesen. Es ist daher wahrscheinlich, dass Rehbronn ihn persönlich kannte, obwohl Warnke vermutlich nie sein »Lehri« war, wie es in der Geschichte heißt.
Der nachfolgende Aufsatz wurde Weihnachten 1962 im Rundbrief der Priester der Freien Prälatur (Seite 31 f.) ohne Quellennachweis veröffentlicht. Vermutlich verfasste der Marzdorfer Pfarrer Leo Rehbronn den Text für die Schneidemühler Kirchenzeitung Johannesbote, die Ende 1941 ihr Erscheinen einstellen musste. Der Hinweis auf die Kirchenglocken im drittletzten Absatz deutet darauf hin, dass der Aufsatz vor der Veröffentlichung im Rundbrief aktualisiert wurde, denn das Nazi-Regime ordnete die Abnahme der Bronzeglocken zwar im November 1941 an, führte sie aber erst 1942 und 1943 durch.
Leo Rehbronn wurde am 10. Februar 1887 in Lubsdorf geboren. Über seine Jugend ist nichts bekannt, er trat später in das Priesterseminar in Posen ein und wurde am 17. Juli 1921 in Gnesen zum Priester geweiht. Nach der Weihe diente Rehbronn als 3. Vikar in der Dreifaltigkeitskirche in Gnesen. Im April 1925 erfolgte die Versetzung nach Schneidemühl, wo Rehbronn bis 1934 als Kurat die katholische Gemeinde verwaltete, der rund 13 000 Christen zugehörten. In der Schneidemühler Zeit wohnte Rehbronn in der Bismarckstraße 8, sein Dienstsitz war das Katholische Pfarramt in der Kleinen Kirchenstraße 15.
Im Jahr 1934 wurde Rehbronn als Pfarrer in die Deutsch Kroner Filialgemeinde Breitenstein versetzt, die nur 540 Gläubige zählte. Wahrscheinlich hatte diese Versetzung – wie so viele in jener Zeit – politische Gründe. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich Rehbronn in der Schneidemühler Zeit bei den Nazis unbeliebt gemacht hatte. Breitenstein war jedoch nur eine Zwischenetappe, schon am 1. Mai 1935 wurde Rehbronn nach Marzdorf berufen, wo er am 27. Mai 1944 überraschend im Alter von 57 Jahren verstarb.
In Preußen waren regelmäßige Kirchenvisitationen gesetzlich vorgeschrieben. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin wird unter der Signatur I. HA Rep. A 181, Nr. 55911Der Aktenband wurde in den 1967 Jahren von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tagen verfilmt; der Mikrofilm ist über folgende Internetadresse frei zugänglich. Das Visitationsprotokoll findet sich auf den Bildern 23-31. das Protokoll einer Visitation verwahrt, die am 9. Mai 1827 in der katholischen Kirchengemeinde von Marzdorf stattfand.
Der Aktenband wurde in den 1967 Jahren von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tagen verfilmt; der Mikrofilm ist über folgende Internetadresse frei zugänglich. Das Visitationsprotokoll findet sich auf den Bildern 23-31.
Als Martina Bowen am 2. November 2012 in Columbus, Georgia (USA) verstarb, veröffentlichten ihre Angehörigen eine Gedenkseite auf www.dignitymemorial.com. Neben vielen privaten Fotos ist auf dieser Seite auch eine alte Ansichtskarte von Lubsdorf abgebildet. Einen weiteren Hinweis auf das Dorf gibt es nicht. Was also hatte Martina Bowen mit Lubsdorf zu tun?
Die Ansichtskarte von Lubsdorf auf der Gedenkseite von Martina Bowen
Auch nach der Vertreibung hielt Pater Konrad Pickmeier (* 1894; † 1964) engen Kontakt zu den Angehörigen seiner früheren Pfarrgemeinde in Marzdorf. Seit 1949 nutzte er dazu den dreimal jährlich erscheinenden Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl in der Grenzmark Posen-Westpreußen. Im Rundbrief veröffentlichte er Familiennachrichten und Todesfälle aus dem Kreis der Vertriebenen oder erinnerte an wichtige Ereignisse der weit verstreuten Gemeinde. Für das Weihnachtsheft 1960 verfasste er die nachfolgend wiedergegebene Erinnerung an das Weihnachtsfest im Kriegsjahr 1940.
Im Landkreis Deutsch Krone mit seinen ausgedehnten Feldern und Wäldern, die mehr als zwei Drittel der Kreisfläche bedeckten, zählte die Jagd zu den Lieblingsvergnügen der privilegierten Oberschicht. Fast jeder der mehr als 200 Gutsbesitzer, die es im Kreis gab, verfügte über ein eigenes Jagdrevier mit reichen Beständen an Dam-, Rot- und Schwarzwild. Neben der Pirsch- und Ansitzjagd wurde auf den größeren Gütern auch die Treibjagd auf Niederwild ausgeübt. Diese Kesseltreiben, die im Spätherbst jedes Jahres auf den frisch umbrochenen Ackerflächen stattfanden, waren zugleich wichtige gesellschaftliche Ereignisse.
Mit der Vertreibung hörte auch die spezifische Mundart der Einheimischen – das Deutsch Kroner Platt – auf zu bestehen. Dieser niederdeutsche Dialekt, der durch viele Endung auf »i« und »a« geprägt war und mitunter als »Schulzendorfer Mundart« bezeichnet wird, kennt viele eigentümlich Begriffe, die aus dem Pommerschen, aus der Neumark und Westpreußen übernommen und dann angepasst wurden. Auch mit polnischen Lehnworten wurde so verfahren. Die Mundart ist bis heute wissenschaftlich nicht untersucht, wird aber von Peter Pfeilsdorf in seinem Heimatbuch des Kreises Deutsch Krone aus dem Jahr 1922 näher beschrieben. Eine Klangprobe (aus Zechendorf) findet sich im Lautarchiv der reichsdeutschen Mundarten auf der Webseite von Wolfgang Näser.
Das erste Telefon moderner Konstruktion kam 1877 aus den USA nach Deutschland, im Jahr 1881 eröffnete die Reichspost in Berlin die erste Fernsprechvermittlung, 1910 gab es bereits 941 000 Anschüsse im Reich, 1932 waren es 3,2 Millionen. Die überwiegende Zahl der Fernsprechgeräte stand damals in den Großstädten, aber im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erreichten die Apparate auch die ländlichen Gemeinden.
In den Jahren 1936 und 1937 schrieb Karl Hunger (* 1915 in Fürstenwalde; † 2011 in Lendringsen) zwei Studienarbeiten über das Bauerndorf Brunk im Kreis Deutsch Krone, in denen er die Geschichte und das Brauchtum des grenzmärkischen Dorfes detailliert schildert.
1917 wurde Adolf Sperling (* 1882 in Labes; † 1966 in Berlin) zum Bürgermeister von Deutsch Krone gewählt. In seiner Amtszeit wandelte sich der Ort vom beschaulichen Ackerbürgerstädtchen zu einem regionalen Mittelzentrum und zur »Perle der Grenzmark«.
Die aktuelle Nummer 9 der Archivs erinnert an Hulda Beutler, die am 3. März 1873 in Lubsdorf geboren wurde und am 7. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt, im besetzten Tschechien, starb. Bis 1938 führte Hulda Beutler einen kleinen Lebensmittelladen im Dorf Stibbe, dann wurde sie als Jüdin denunziert und im antisemitischen Hetzblatt »Der Stürmer« öffentlich verleumdet. Mit der Schließung ihres Ladens verlor sie ihre Existenz und musste die Heimat verlassen.
Am Rande des Brausees von Marzdorf (Marcinkowice) ist ein mittelalterlicher Ringwall entdeckt worden. Der Wall liegt am westlichen Ufer des zweieinhalb Hektar großen Sees und besteht aus einer kegelförmigen Erhebung und einer Vorfläche, die ehedem wohl zu Siedlungszwecken genutzt wurde. Der Regionalforscher Robert Kraszczuk hat den Fund in dem Buch Z przeszłości Tuczna i okolic (Aus der Vergangenheit von Tütz und seiner Umgebung) dargestellt, das in diesem Frühjahr erschienen ist. Der Ringwall am Brausee wurde bislang archäologisch nicht untersucht, aber schon nahe an der Oberfläche finden sich Schlacken, Ziegelbruchstücke und Brandreste. Der Brausee in Marzdorf heißt heute Marcinkowice Małe, wird aber von den Einheimischen Parkowy genannt, weil er am Rand des früheren Gutsparks liegt.
Am 28. März 1946 – also vor 75 Jahren – endete die 125-jährige Geschichte des Bauerndorfs Königsgnade in der pommerschen Grenzmark. Am frühen Nachmittag wurden die deutschsprachigen Einwohner des Dorfes aus ihren Häusern getrieben und zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. Milizsoldaten trieben die Königsgnader zum Bahnhof in Tütz, dort wurden sie in Viehwaggons verladen, nach Stettin transportiert und per Schiff in die britische Besatzungszone verbracht. Die Bewohner der Nachbardörfer erlitten das gleiche Schicksal. Mehr als 12 000 Menschen wurden allein im Frühjahr und Sommer 1946 aus dem Kreis Deutsch Krone ausgewiesen, der als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs an Polen gefallen war.
Die Nummer 8 des »Archivs« erzählt die Geschichten der Vertriebenen und erläutert die Hintergründe der größten ethnischen Säuberung, die es in Europa jemals gab. Er erklärt auch, warum die prächtigen Urwälder hinter der deutsch-polnischen Grenzen als Denkmal der Vertreibungen gesehen werden können.
Am 6. Dezember 1898 legte der Antisemit Hans von Mosch aus Friedenau vor dem Deutschen Reichstag Protest gegen das Ergebnis der Reichstagswahl vom 16. Juni 1898 im Kreis Deutsch Krone (in dem er selbst kandidiert hatte) ein. Die Stimmen im Kreis wurden daraufhin neu gezählt und in den Aktenstücken des Deutschen Reichstag (Nr. 345, S. 2341) veröffentlicht. Nachfolgend das Ergebnis für Tütz und Umgebung:
Gamp (Freikonservativ)
Bredow (Zentrum)
v. Mosch (Antisemit)
Tütz
82
196
27
Schloss Tütz
17
37
5
Alt-Prochnow
22
6
29
Brunk
8
49
3
Lubsdorf
–
89
2
Marzdorf
16
165
1
Schulzendorf
8
213
6
Mellentin
13
81
4
Stibbe
18
104
10
Klein Nakel
51
36
31
Harmelsdorf
46
45
11
Gesamt
281
1021
196
Wahlergebnis bei der Reichstagswahl im Juni 1896
In der katholischen Umgebung von Tütz war die Zentrumspartei also mit Abstand die stärkste Kraft. Im gesamten Kreis Deutsch Krone sah das Ergebnis aber anders aus: Hier entfielen auf die Freikonservative-Partei mit dem Kandidaten Gamp (Massaunen) 3804 Stimmen, auf die Zentrumspartei mit dem Kandidaten Bredow (Zippnow) 3787 Stimmen, auf die Partei der Antisemiten 2562 Stimmen, auf die Freisinnige Partei mit dem Kandidaten Kühnemann (Bethkenhammer) 113 Stimmen, auf die Sozialdemokratische Partei mit dem Kandidaten Storch (Stettin) 46 Stimmen.
Gewinner der Wahl war der Oberregierungsrat Karl Gamp (* 24. November 1846 in Massaunen; † 13. November 1918 in Berlin, später von Gamp) vor dem Schulzengutbesitzer Albert Bredow aus Zippnow. Der Einspruch des Antisemiten von Mosch wurde abgelehnt. Gleichwohl zeigt die Wahl wie stark der Antisemitismus im Kreis Deutsch Krone schon damals war.
Wahlberechtigt waren bei der Wahl alle männlichen Einwohner, die älter waren als 21 Jahre. Die Original-Datei findet sich in der Digitalen Bibliothek München.
Es ist gelungen, etwas mehr über den Verfasser der »Heimatgeschichte von Brunk« zu erfahren, die im Sommer 2019 in der Śląska Biblioteka Cyfrowa aufgefunden wurde.
Karl Hunger wurde am 2. Dezember 1915 in Fürstenwalde an der Spree geboren und ist am 23. Dezember 2011 in Menden im Sauerland verstorben. Sein Vater, Carl Friedrich Hunger, arbeitete in der Schulheiß-Brauerei in Fürstenwalde, seine Mutter war die Bauerntochter Anastasia Kluck aus Brunk. Als der Vater 1916 im ersten Weltkrieg fiel, kehrte die Kriegerwitwe mit dem Sohn Karl in das Elternhaus nach Brunk zurück, wo sie im Haus ihres Vaters, des Kossäten Michael Kluck, lebte.
Karl Hunger besuchte bis zu seinem zwölften Lebensjahr die einklassige Dorfschule in Brunk unter dem Lehrer Marzell Wachholz , der in ihm den Wunsch weckte, ebenfalls Schullehrer zu werden. Da die Schullehrer-Ausbildung das Abitur voraussetzte, zog Anastasia Hunger 1928 zurück nach Fürstenwalde, wo Karl das Gymnasium an der Hangelsberger Chaussee besuchte.
Brunk im Jahr 1931
1934 machte Karl Hunger Abitur, es folgte ein Jahr im Reichsarbeitsdienst, dann begann er sein Studium an der Hochschule für Lehrerbildung in Beuthen/Oberschlesien. Das Studium dauerte zwei Jahre von 1935 bis 1937, die Pflichtpraktika absolvierte Karl Hunger ganz überwiegend in Brunk und Königsgnade, wo er bei Verwandten wohnen konnte. Nach dem Studium folgte der Wehrdienst, der bei Karl Hunger direkt in Kriegsdienst überging, denn sein letzter Wehrdiensttag war der 31. August 1939 und der Krieg begann am 1. September.
Hunger diente im ganzen Zweiten Weltkrieg als Soldat und erlebte das Kriegsende in Kurland. Mit einem der letzten Transporte gelangte er auf Umwegen nach Thüringen, wo er 1946 – also fast ein Jahrzehnt nach dem Ende seiner Ausbildung – endlich als Lehrer arbeiten konnte. Von Thüringen aus zog Hunger 1948 nach Lürbke ins Sauerland, wo er bis 1959 die kleine Volksschule leitete. Nach der Schließung der dörflichen Schule in Lürbke wurde Hunger Rektor der Hauptschule in Lendringsen. Er hat 1975 eine Schulgeschichte der Gemeinde Lendringsen verfasst, die bis heute über das Archiv der Stadt Menden bezogen werden kann.
Schulklasse in Lürbke mit Lehrer Karl Hunger (1948=
1991 besuchte Hunger mit seinen Kindern Brunk/Bronikowo und konnte sich auch in der ehemaligen Dorfschule umsehen. Das Besuch hat ihm nach Auskunft seiner Tochter sehr viel bedeutet.
Eine kommentierte und erweiterte Neuausgabe von Hungers Heimatgeschichte ist in Vorbereitung.