Der Schmidt’sche Krug in Marzdorf

Grundbuch Marzdorf Band 1, Blatt Nr. 3 (1782-1893)

Der dritte Beitrag in der Serie über den Bestand an historischen Grundakten im Archiwum Państwowe in Köslin beschäftigt sich mit dem Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nummer 3, das auf 343 Blättern vom Kruggrundstück in Marzdorf handelt1Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, Laufzeit 1782-1893, Signatur 26/112/0/3/161 im Archiwum Państwowe Koszalin. Die entsprechende Akte wurde mindestens einmal umgebunden. Die Bezeichnung auf Blatt 18 lautet »Patrimonialgericht zu Marzdorf: Grund und Beilage Acta zum Hypothequen Buch über den Krug in Marzdorf, Possessor Christoph Schmidt«. – Der Familienname wird in der Akte anfangs auch Schmitt oder Schmet geschrieben. Das Digitalisat kann von registrierten Benutzern auf der Webseite metryki.genbaza.pl eingesehen werden..

Das älteste Dokument in der Akte ist das »Privileg für den Gast-Krüger Martin Schmidt«, das Andreas Joseph von Tütz Tuczynski am 23. Oktober 1706 erteilte, in einer deutschen Übersetzung des Tützer interpres juratus J. Schievelbein aus dem Jahr 1712. Das Dokument findet sich in ähnlicher Form auch im Kontributionskataster von Marzdorf, deshalb wird hier auf die Wiedergabe verzichtet. Der Familie Schmidt diente das Privileg als Besitznachweis; in der Akte ist eine weitere Übersetzung durch Propst Michael Gramse aus dem Jahr 1821 enthalten2Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 30 VS bis 31 RS bzw. 22 VS u. RS..

Ebenfalls als Besitznachweis diente das Protokoll einer Erbauseinandersetzung vom 23. März 1753, bei der die namentlich nicht näher bezeichnete Witwe von Martin Schmidt den Krug an ihren Sohn Christoph übergab3Ebenda, Blatt 32 VS bis 34 VS.. Als Gegenleistung verlangte die Witwe Wohnung und Unterhalt für sich bis zu ihrem Lebensende sowie Abfindungen für ihre weiteren Kinder Johann, Jacob, Martin, Anton, Catharina, Anna Mariga, Christin und Sophia. Die Abfindung bestand aus Geld – 47 polnischen Gulden pro Berechtigten – und Roggenlieferungen, die allerdings bis ins Jahr 1760 gestreckt wurden. Der Sohn Jacob hatte das Schneiderhandwerk gelernt und hielt sich während der Auseinandersetzung in der Fremde auf; das für ihn entrichtete Lehrgeld von 30 polnischen Gulden wurde auf seinen Anteil aufgerechnet, den er zudem erst erhalten sollte, wenn er »auß der Frembde kommet«4Ebenda, Blatt 33 VS.. Die Erbauseinandersetzung fand vor dem Marzdorfer Dorfgericht unter dem Schulzen Paul Koltermann und den Gerichtsmännern Jacob Neymann, Marten Kluck und Marten Günterberg statt.

Abb 1: Titelseite des Grundbuchs aus dem Jahr 1782

Das eigentliche Grundbuch beginnt mit einer Bestandsaufnahme5Ebenda, Blatt 19 VS bis 21 RS. vom 29. Oktober 1782, in der es heißt:

»Der Krug liegt mitten im Dorfe Marzdorf ohnweit der Kirche, u. gränzt gegen Morgen an die Achter Höfe, gegen Abend an die Straße nach dem Guts Stall, gegen Mittag an den Dienst Bauern Hof des Jacob Garski, und gegen Mitternacht an die Dorf Straße. Die nächste Städte sind Märk. Friedland und Tütz, welche beide Städte jede 1 Meile entfernt liegen.«6Ebenda, Blatt 19 VS. – Die angegebenen Himmelsrichtung bedeuten: Morgen = Osten, Abend = Westen, Mittag = Süden, Mitternacht = Norden.

Zum Kruggrundstück gehörte ein »Wohn Haus mit zwei Scheuern und die zur Wirtschaft erforderlichen Ställe«, ein Obst- und zwei Gemüse-Gärten, zwei Wiesen und eine Hufe sowie mehrere Felder Ackerland, das freilich nicht abgemessen war, sondern mit den Bauernäckern im Gemenge lag. Zu den Gerechtsamen des Dorfkrugs zählte das Recht, 200 Schafe zu halten und auf herrschaftlichem Grund totes Holz zum Hausbrand zu sammeln. An Abgaben hatte Christoph Schmidt jährlich vier Scheffel Roggen im Tützer Maß sowie zwölf Taler an die Herrschaft zu leisten, hinzu kamen 6 Taler Abgaben an die königliche Kreiskasse und drei Scheffel Roggen an den Pfarrer. Da Christoph Schmidt seine Geschwister inzwischen »völlig abgefunden« hatte, galt er als »freier Eigenthümer« der Grundstücks, auf dem keine Schulden lasteten.7Ebenda, Blatt 21 VS.

Wie im Privileg von 1706 beschrieben, musste Schmidt alle Getränke, die er im Krug feilbot, von der Herrschaft beziehen. Er hatte das Recht, den Krug frei an seine männlichen Erben zu übertragen; bei einer Veräußerung an einen Dritten benötigte er die Zustimmung der Herrschaft8Ebenda.. Obwohl Schmidt der Bauerngemeinde in Marzdorf zugehörte, genoss er im Dorf eine deutlich herausgehobene Stellung. Er war von den meisten Dienstpflichten befreit und besaß sein Land als Eigentum.

Abb. 2: Titelseite des Krug-Privilegs von 1706

Am 4. August 1796 starb in Marzdorf Christophs Schmidts Ehefrau Maria geb. Polzin im Alter von 63 Jahren9Ein Totenschein findet sich in ebenda, Blatt 149 VS.. Da der Marzdorfer Krüger bereits über 70 Jahre alt war, dachte er nun daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Den Krug wollte er seinem Sohn Christoph übergeben, der seine Geschwister abfinden sollte. Diese Geschwister waren:

  • der Frei- und Gerichtsschulze Johann Schmidt;
  • Anna Maria Utecht geborene Schmidt, die in Mellentin lebte;
  • Dorothea Elisabeth Neumann geborene Schmidt, die mit dem Marzdorfer Schullehrer Lorenz Neumann verheiratet war;
  • Anton Schmidt, den der Vater als Kreisschreiber in Lewitz bei Meseritz vermutete;
  • Mathias Schmidt, der bereits zu »polnischer Zeit« Marzdorfer verlassen hatte und »von deßen Leben und Aufenthalt […] seine Verwandten seit 14 Jahren keine Nachricht mehr erhalten«10Ebenda, Blatt 12 RS. hatten.

Um seinen Sohn Anton von der bevorstehenden Erbteilung zu unterrichten, reiste Christoph Schmidt nach dem 14 Meilen entfernten Lewitz (das er Pollewicz bezeichnete), traf diesen jedoch nicht an. Eine Anfrage des Märkisch Friedländer Kreisrichters Conrad beim Bomster Landrat von Haza, dem das Rittergut Lewitz gehörte, brachte die Information, dass Anton Schmidt dort unbekannt sei11Ebenda, Blatt 11 VS.. Nach dieser Antwort kam es am 21. Februar 1797 zu Erbteilung vor dem assoziierten adeligen Kreis- und Stadtgericht in Märkisch Friedland12Der Erbteilungsvertrags findet sich ebenda, Blatt 12 VS bis 15 RS. Dabei wurde einerseits das Wohnrecht und umfangreiche Unterhaltszahlungen für den Vater festgelegt, andererseits die Verpflichtung des Sohnes Christoph, den fünf erstgenannten Geschwistern eine Abfindung von 1000 Taler zu gewähren, auf die sich die Töchter allerdings ihren »bereits erhaltenen Brautschatz«13Ebenda, Blatt 14 VS. anrechnen lassen mussten. Von einer Abschlagszahlung abgesehen, sollte die Abfindung zunächst »auf dem Gute haften«14Ebenda, Blatt 15 RS. bleiben. Anders als bei der Erbteilung von 1753 wurden im Vertrag von 1797 keine Naturalleistungen festgelegt.

Wenige Tage vor der Erbauseinandersetzung verheiratete sich der künftige Krüger Christoph Schmidt mit Anna Christina Rohloff (oder Rolof), der Tochter des »arbeitssamen Christian Rolof« aus Arnsfelde. Im Ehevertrag15Der Ehevertrag findet sich ebenda, Blatt 37 VS bis 38 RS., der am 16. Februar 1797 »im Namen der gnädigen und hochgelobten Dreyfaltigkeit« in Arnsfelde geschlossen wurde, verpflichtete sich die Braut, in die Ehe zehn Schafe, ein Kuh, einen Ochsen, zwei Betten, sieben Pfühle, Kleider, Bett- und Tischlaken sowie Hausrat16Ebenda, Blatt 38 RS. einzubringen. Außerdem erhielt das Brautpaar als Geschenk zur Hochzeit 300 Taler »Heyraths Gelt« von dem Ehepaar Daniel und Eva Kamski in Trebisch17Ebenda, Blatt 37 RS.. Eva Kamski geborene Jahnke war eine Schwester der Brautmutter. Im Ehevertrag boten die Eheleute Kamski weitere 500 Taler für ein »Leibgeding« in Marzdorf an – sie wollten sich also dort zur Ruhe setzen.

Nachdem Christoph Schmidt senior am 10. Oktober 1797 in Marzdorf verstorben war18Ein Totenschein findet sich ebenda, Blatt 149 VS., zog das Ehepaar Kamski wirklich im Marzdorfer Krug ein, wo Eva Kamski noch mehr als ein Vierteljahrhundert lebte. Nach den Akten starb ihr Mann Daniel am 27. Juli 1813 in Arnsfelde19Ebenda, Blatt 166 VS., sie selbst verschied laut dem Marzdorfer Kirchenbuchduplikat am 20. Januar 1824 im Alter von 60 Jahren an einem Schlag20General-Akten des Königlichen Amtsgerichts in Märk. Friedland betreffend die Kirchenbuchduplikate der Gemeinde Marzdorf 1823-1874. In: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 609/40, S. 18..

Abb. 3: Totenschein für Maria Schmidt geb. Polzin und Christoph Schmidt

Eva Kamski überlebte auch ihre Nichte Anna Christina Schmidt und deren Ehemann Christoph, die bereits am 6. Mai 1823 bzw. am 25. Juni 1823 im Alter von nur 47 und 43 Jahren in Marzdorf starben21Ebenda, S. 11 u. 12.. Nach dem Tod der beiden Krugwirte übernahm ihr einziges lebendes Kind, der 24-jährige Sohn Michael Matheus Schmidt den Besitz, der sich nun mit Victoria von Swiderska, der 16-jährigen Tochter des Pächters Johann von Swiderski verheiratete. Trauzeugen bei der Hochzeit, die am 19. August 1823 in Marzdorf stattfand, waren der Ackersmann Johann Schmidt und der Bauer Christoph Rohloff22Ebenda, S. 9., vermutlich ein Bruder der Mutter. Im September 1824 fiel Michael Schmidt auch das Erbe der Eheleute Kamski zu23Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 166 VS..

Im Jahr 1831 war Michael Schmidt mit einer Geschichte aus der Vergangenheit konfroniert: Die Erben seines Großonkels Anton Schmidt meldeten sich aus Posen und machten Ansprüche aus der Erbteilung des Jahres 1797 geltend. Der verschollene Bruder des Vaters war zwar bereits im Jahr 1801 in Neustadt an der Pinne (polnisch: Lwówek) verstorben, wo er unter den Namen Kowalski als herrschaftlicher Sekretär diente, hatte jedoch eine Witwe und zwei Töchter hinterlassen. Auch die Witwe war inzwischen verstorben, aber ihr Mann aus zweiter Ehe – der Posener Bürgermeister Thomas Rabski – klagte nun im Namen seiner Kinder und der noch lebenden Tochter aus der ersten Ehe. Michael Schmidt musste die unbekannten Verwandten im Februar 1832 mit 200 Talern nebst Zinsen abfinden, die hypothekerisch auf dem Krug eingetragen standen24Ebenda, Blatt 118 VS bis 119 RS..

Am 9. März 1836 einigte sich Michael Schmidt mit dem Marzdorfer Gutsbesitzer Carl Ferdinand Kloer über die Regulierung die gutsherrschaflichen Lasten. Im Rezeß, der von der Regierung in Marienwerder einen Monat später genehmigt wurde, verzichtete Carl Ferdinand Kloer gegen ein halbjährliche Rente von 26 Talern auf alle Dienste und Natural-Abgaben, die bislang vom Kruggrundstück zu leisten waren25Ebenda, Blatt 137 VS bis 140 VS..

Der Krüger Michael Schmidt starb Mitte des Jahres 184526In den Duplikaten der Kirchenbücher von Marzdorf ist kein Sterbeeintrag für Michael Schmidt enthalten. und hinterließ den Krug seiner Witwe Victoria sowie acht Kindern. Diese waren:

  • Antonia Victoria Schmidt, geboren am 22. Juli 1824;
  • Stephan Florian Schmidt, geboren am 18. April 1832;
  • Bernhard Schmidt, geboren am 13. August 1834;
  • Eduard Schmidt, geboren am 19. Februar 1837;
  • Agnes Schmidt, geboren am 11. Mai 1841;
  • Albertine Schmidt, geboren am 16. April 1841;
  • Anna Schmidt, geboren am 7. Oktober 1842;
  • Anton Schmidt, geboren am 30. August 1844.

Das Marzdorfer Patriomonialgericht, das seinen Sitz zwischenzeitlich nach Tütz verlagert hatte, legte am 24. Juni 1845 für jedes Kind ein väterliches Erbteil von 265 Taler fest27Der Erbrezess findet sich ebenda, Blatt 178 VS bis 179 VS., das bei »Verheiratung oder erlangter Großjährigkeit« auszuzahlen war. Da das Erbe hypothekarisch abgesichert wurde, lässt sich das Schicksal von vier Kindern im Grundbuch nachvollziehen.

Die beiden Töchter Agnes und Albertine starben bereits im Kindesalter in Marzdorf am 19. Juli bzw. 12. August 185128Ebenda, Blatt 227 VS.. Der Sohn Florian, der als Lehrer in Posen arbeitete, verzichtete am 19. Oktober 1859 vor dem Notar Anton Kloer in Deutsch Krone auf seine Erbansprüche. Zur Begründung führte er aus, seine Mutter habe für seine Ausbildung »mindestens 1000 Taler mehr als für [… die] übrigen Geschwister« aufgewandt29Ebenda, Blatt 228 VS.. Die älteste Tochter Antonia Victoria heiratete am 23. Mai 1847 in Marzdorf den Schullehrer August Neumann30General-Akten …, a. a. O., Blatt 174., ließ sich ihr Erbteil aber zunächst nicht auszahlen. Als sie am 11. Oktober 1855 im Alter von nur 30 Jahren in Marzdorf an Schwindsucht31A. a. O., S. 232. starb, hinterließ sie ihrem Ehemann und ihren vier Kindern auch jene 265 Taler, die auf dem Grundstück Marzdorf Band 1, Blatt Nr. 3 standen32Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 201 VS.. Diese vier Kinder waren:

  • Maria Theresia Neumann, geboren am 25. September 1847;
  • Anton Adalbert Maximilian Neumann, geboren am 10. Mai 1850;
  • Lucia Catharina Neumann, geboren am 9. September 1851;
  • August Johann Franz Neumann, geboren am 17. April 1854.

Als auch der Vater der Kinder, der Lehrer August Neumann, am 15. Mai 1855 in Marzdorf im Alter von 36 Jahren an einer Lungenentzündung verstarb33General-Akten …, a. a. O., S. 241., wurde die älteste Tochter in das von Ostensche Weisenhaus in Jastrow gegeben34Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 204 RS.. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Der älteste Sohn Anton Adalbert Neumann quittierte im Jahr 1872 über sein erhaltenes Erbteil von 41 Talern und 15 Groschen, als er als Schlossergesell in der Werkstatt der königlichen Ostbahn in Landsberg an der Warthe arbeitete35Ebenda, Blatt 312 VS.. Eine ähnliche Empfangsbestätigung liegt aus dem Jahr 1873 auch für Lucia Schmidt vor, die als Ehefrau des Milchhändlers Joseph Schaefer in Berlin lebte. Inklusive Zinsen wurden ihr 54 Taler und 20 Groschen ausgezahlt36Ebenda, Blatt 1 RS.. Aus Berlin quittierte im Juli 1875 auch der Bruder August Johann Neumann. Er arbeitete in der Hauptstadt als Brunnenmacher und verwandte das Geld, um 25 Taler Kaution für eine neue Stellung aufzubringen37Ebenda, Blatt 3 VS u. RS..

Eigentümer des Kruggrundstücks in Marzdorf war zu jener Zeit Bernhard Schmidt, der den Besitz bereits am 19. Oktober 1859 von seiner Mutter Victoria geborene von Swiderski, übernommen hatte. Im Übergabevertrag, der vor dem Notar Anton Kloer in Deutsch Krone geschlossen wurde, verpflichtete sich Bernhard Schmidt, seiner Mutter auf Lebenszeit Unterhalt und Wohnung zu gewähren und alle ihre Schulden und Verbindlichkeiten zu übernehmen38Der Vertrag findet sich ebenda, Blatt 218 VS bis 223 VS.. Neben den hypothekarisch abgesicherten Erbansprüchen seiner Geschwister bzw. deren Kinder lasteten zu dieser Zeit auch drei nicht »versicherte Schulden« auf dem Kruggrundstück, denn Victoria Schmidt schuldete Propst Katzer in Marzdorf, dem Schulzen Buske zu Lubsdorf und dem Freigutsbesitzer Gustav Geske zu Stranz Abbau je 200 Taler39Ebenda, Blatt 219 VS u. RS.. An seine noch lebenden und nicht abgefundenen Geschwister, den »Primaner« Eduard Schmidt, den Bruder Anton Schmidt und die Schwester Anna Ottilie Schmidt hatte Bernhard Schmidt je 265 Taler aus dem väterlichen Erbe zu zahlen; die beiden letztgenannten sollten zusätzlich noch 734 bzw. 534 Taler zur »Anrechnung auf künftiges mütterliches Erbtheil« erhalten40Ebenda, Blatt 219 RS..

Noch vor der Übergabe an den Sohn hatte Victoria Schmidt sich mit dem Marzdorfer Rittergutsbesitzer Franz Guenther im August 1856 über die Ablösung der noch bestehenden gutsherrschaflichen Rechte und Pflichten geeinigt. Gegen eine jährliche Rente von 6 Talern, die für die Dauer von 56 Jahren zu zahlen war, verzichtete Guenther im Ablösungsrezeß auf die jährlichen Zinszahlungen des Kruges und auf sein Recht, bei einer Besitzübertragung an Dritte ein Laudemium von zehn Prozent der Kaufpreises zu erheben. Aufgehoben wurde ebenfalls die freie Brennholz- und Bauholznutzung durch den Krüger, jedoch nicht dessen Verpflichtung, das »auszuschänkenden Getränk an Bier und Branntwein von dem Dominio Marzdorf zu entnehmen«41Der Ablösungsvertrag findet sich ebenda, Blatt 210 bis 217.. Im Ablösungsvertrag wird die Größe des Freikrug-Grundstücks mit 192 Morgen und 160 Quadratruten angegeben, das entspricht 49,25 Hektar.

Am 11. Oktober 1861 verkaufte Bernhard Schmidt den Marzdorfer Krug für 2000 Taler an den Mühlenmeister Carl Esser. Esser übernahm dabei allerdings nur das »Gasthofsgebäude nebst dazugehörigen Hofraum und dem darauf stehenden Stallgebäude«42Die Intabulatur ins Hypothekenbuch befindet sich ebenda, Blatt 255 RS u. Blatt 256 VS. sowie ein Stück Garten und den Achterhof im Umfang von 5 Morgen und 134 Quadratruten. Den Umfang des verbliebenen Grundstücks von Bernhard Schmidt veranschlagte die Regierung in Marienwerder im »Abgaben-Verteilungsplan« vom 13. März 1863 auf 339 Morgen 8 Quadratruten43Ebenda, Blatt 261 VS bis 262 RS oder rund 86,5 Hektar. Es ist unklar, wie die Differenz von mehr als 37 Hektar zur Flächenangabe des Jahres 1856 zu erklären ist. Vermutlich hatte die Familie Schmidt im Verlauf der Jahre durch Zukäufe das ursprüngliche Krug-Grundstück um ein Wesentliches vergrößert.

Es ist ebenfalls unklar, ob Esser den gekauften Krug jemals bewirtschaftete oder auch nur in Marzdorf lebte. Im Kirchenbuchduplikat ist sein Name jedenfalls nicht zu finden. Ab 1863 findet sich im Duplikat hingegen der Gastwirt Johann Neumann, der mit Anna Christina Ziebarth verheiratet war44General-Akten …, a. a. O., S. 338.. Ob Neumann den Krug der Familie Schmidt weiterführte oder an anderer Stelle eine eigene Gastwirtschaft eröffnete, ist nicht bekannt. Die Familie Neumann führte ihre Gastwirtschaft – das sogenannte Hôtel Neumann – jedenfalls bis 1945.

Nach dem Verkauf des Kruges wurde Bernhard Schmidt, der vor 1860 Amalia Jaster geheiratet hatte, im Kirchenbuch als Gutsbesitzer betitelt. In den Kirchenbuch-Duplikaten wurden aus dieser Ehe sechs Kinder verzeichnet45Ebenda, S. 288, 315, 353, 405, 431 u. 468., deren weiteres Schicksal jedoch unbekannt ist. Das waren:

  • Valeska Schmidt, geboren am 7. Oktober 1860;
  • Franz Joseph Schmidt, geboren am 12. Mai 1862;
  • Georg Max Schmidt, geboren am 9.12.1864;
  • Georg Hugo Schmidt, geboren am 28.10.1867;
  • Franz Paul Bernhard Schmidt, geboren am 23.12.1869;
  • Maria Magdalena Schmidt, geboren am 19.06.1872.
Abb. 4: 1876 besaß Bernhard Schmidt in Marzdorf 41 Gründstücke im Umfang von 103 Hektar

Am 11. Mai 1877 verkaufte Schmidt seinen ganzen Marzdorfer Grundbesitz an das dortige Rittergut. Laut dem Auszug aus der Grundsteuer-Mutterrolle vom 1. Juli 1876, der sich in der Grundakte befindet46Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 274 VS bis 275 RS., handelte es sich um insgesamt 103 Hektar, 35 Ar und 30 Quadratmeter Acker, Wiesen und Weideland auf 41 Parzellen in verschiedenen Güteklassen. Seit 1863 hatte Schmidt also seinen Grundbesitz um weitere 16,5 Hektar vergrößert. Der Grundsteuerreinertrag des Freibauernguts wurde mit 180,64 Taler angegeben, belief sich also auf sehr niedrige 1,74 Taler pro Hektar47Ebenda, Blatt 277 VS.. Mit veräußert wurden auch die Gebäude des Freibauernguts, die aus einem Stall, einem Wohnhaus, einem Viehstall und einer Scheune bestanden und mit 135 Mark jährlichem Nutzungswert veranschlagt waren48Ebenda, Blatt 276 RS..

Als Kaufbetrag wurde im Kaufvertrag49Der Vertrag findet sich ebenda, Blatt 296 VS bis 297 RS. 45 000 Mark verabredet, die »Frau Rittergutsbesitzer Mariane Guenther geborene Koppe« in vier Raten bis ins Jahr 1892 inklusive anfallender Zinsen abzahlen wollte. Im Kaufbetrag waren zwei Hypotheken eingeschlossen, die auf dem Grundbesitz lasteten. Das waren:

  • 3000 Mark für den Administrator Hermes in Alt-Prochnow und
  • 2400 Mark für den Hofmeister Johann Koltermann zu Marzdorf.

Zusätzlich zum Kaufgeld durfte Schmidt eine Anzahlung von 300 Mark auf die »diesjährige Wolle«, die der Kaufmann Moses Gottschalk in Märkisch Friedland bereits geleistet hatte, behalten. Nachträglich aus dem Kaufvertrag gestrichen wurde der ursprüngliche Paragraf sieben, der besagte:

»Von den vorhandenen Gesinde behält die Käuferin den Knecht Franz Wellnitz in Brod u. Lohn auf das gemiethete Jahr.«[mfnEbenda, Blatt 297 RS.[/mfn]

Bernhard Schmidt lebte nach dem Verkauf mit seiner Gattin Amalie geborene Jaster als Rentier in Deutsch Krone50Ebenda, Blatt 318 VS.. Seine weiteres Schicksal ist unbekannt.

Die Marzdorfer Rittergutsbesitzerin Guenther verkaufte einen kleinen Teil des gekauften Landes gleich weiter an den ortsansässigen Kirchenlandpächter Johann Kluck und dessen Ehefrau Anna geborene Wiese. Es handelte sich dabei um eine Fläche von sieben Hektar und 16 Ar, die von dem »sogenannten Kossäthenweg«, der Gemarkung Königsgnade und dem Hinterplan des Schulzen Morowski in Marzdorf begrenzt wurde51Ebenda, Blatt 306 VS.. Für das Grundstück erhielt Mariane Guenther laut Kaufvertrag vom 6. November 1877 3365 Mark oder 120 Mark pro Morgen. Sie selbst hatte an Bernhard Schmidt etwa 110 Mark pro Morgen gezahlt. Die Familie Kluck besaß das Land, das später zum Bauernhof auf dem Abbau Iretz gehörte, bis zur Vertreibung im Jahr 1946.

Abb. 5: Handzeichnung der Parzelle, die Mariane Guenther an Johann Kluck verkaufte

Anmerkungen:

  • 1
    Amtsgericht Märkisch Friedland: Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, Laufzeit 1782-1893, Signatur 26/112/0/3/161 im Archiwum Państwowe Koszalin. Die entsprechende Akte wurde mindestens einmal umgebunden. Die Bezeichnung auf Blatt 18 lautet »Patrimonialgericht zu Marzdorf: Grund und Beilage Acta zum Hypothequen Buch über den Krug in Marzdorf, Possessor Christoph Schmidt«. – Der Familienname wird in der Akte anfangs auch Schmitt oder Schmet geschrieben. Das Digitalisat kann von registrierten Benutzern auf der Webseite metryki.genbaza.pl eingesehen werden.
  • 2
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 30 VS bis 31 RS bzw. 22 VS u. RS.
  • 3
    Ebenda, Blatt 32 VS bis 34 VS.
  • 4
    Ebenda, Blatt 33 VS.
  • 5
    Ebenda, Blatt 19 VS bis 21 RS.
  • 6
    Ebenda, Blatt 19 VS. – Die angegebenen Himmelsrichtung bedeuten: Morgen = Osten, Abend = Westen, Mittag = Süden, Mitternacht = Norden.
  • 7
    Ebenda, Blatt 21 VS.
  • 8
    Ebenda.
  • 9
    Ein Totenschein findet sich in ebenda, Blatt 149 VS.
  • 10
    Ebenda, Blatt 12 RS.
  • 11
    Ebenda, Blatt 11 VS.
  • 12
    Der Erbteilungsvertrags findet sich ebenda, Blatt 12 VS bis 15 RS
  • 13
    Ebenda, Blatt 14 VS.
  • 14
    Ebenda, Blatt 15 RS.
  • 15
    Der Ehevertrag findet sich ebenda, Blatt 37 VS bis 38 RS.
  • 16
    Ebenda, Blatt 38 RS.
  • 17
    Ebenda, Blatt 37 RS.
  • 18
    Ein Totenschein findet sich ebenda, Blatt 149 VS.
  • 19
    Ebenda, Blatt 166 VS.
  • 20
    General-Akten des Königlichen Amtsgerichts in Märk. Friedland betreffend die Kirchenbuchduplikate der Gemeinde Marzdorf 1823-1874. In: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 609/40, S. 18.
  • 21
    Ebenda, S. 11 u. 12.
  • 22
    Ebenda, S. 9.
  • 23
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 166 VS.
  • 24
    Ebenda, Blatt 118 VS bis 119 RS.
  • 25
    Ebenda, Blatt 137 VS bis 140 VS.
  • 26
    In den Duplikaten der Kirchenbücher von Marzdorf ist kein Sterbeeintrag für Michael Schmidt enthalten.
  • 27
    Der Erbrezess findet sich ebenda, Blatt 178 VS bis 179 VS.
  • 28
    Ebenda, Blatt 227 VS.
  • 29
    Ebenda, Blatt 228 VS.
  • 30
    General-Akten …, a. a. O., Blatt 174.
  • 31
    A. a. O., S. 232.
  • 32
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 201 VS.
  • 33
    General-Akten …, a. a. O., S. 241.
  • 34
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 204 RS.
  • 35
    Ebenda, Blatt 312 VS.
  • 36
    Ebenda, Blatt 1 RS.
  • 37
    Ebenda, Blatt 3 VS u. RS.
  • 38
    Der Vertrag findet sich ebenda, Blatt 218 VS bis 223 VS.
  • 39
    Ebenda, Blatt 219 VS u. RS.
  • 40
    Ebenda, Blatt 219 RS.
  • 41
    Der Ablösungsvertrag findet sich ebenda, Blatt 210 bis 217.
  • 42
    Die Intabulatur ins Hypothekenbuch befindet sich ebenda, Blatt 255 RS u. Blatt 256 VS.
  • 43
    Ebenda, Blatt 261 VS bis 262 RS
  • 44
    General-Akten …, a. a. O., S. 338.
  • 45
    Ebenda, S. 288, 315, 353, 405, 431 u. 468.
  • 46
    Grundbuch Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 3, a. a. O., Blatt 274 VS bis 275 RS.
  • 47
    Ebenda, Blatt 277 VS.
  • 48
    Ebenda, Blatt 276 RS.
  • 49
    Der Vertrag findet sich ebenda, Blatt 296 VS bis 297 RS.
  • 50
    Ebenda, Blatt 318 VS.
  • 51
    Ebenda, Blatt 306 VS.

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