Die Pfarre Marzdorf 1823-1874 – Teil II

Selbstverständlich verteilten sich die 2764 Taufen, 1556 Sterbefälle und 569 Hochzeiten, die in den katholischen Kirchenbuchduplikaten registriert sind, auch nicht gleichmäßig über den Jahreslauf. Die nachfolgende Grafik zeigt die Streuung der einzelnen Ereignisse über die Monate.

Grafik – Verteilung der Taufen, Sterbefälle und Hochzeiten des Kirchenbuchduplikats auf die Kalendermonate

Bei der Darstellung der Taufen fällt ein Einbruch in den Monaten Mai bis Juli auf, in denen im langjährigen Durchschnitt rund 30 Prozent weniger Kinder geboren wurden als in der übrigen Zeit des Jahres. Da die Taufe zur damaligen Zeit in der Regel wenige Tage nach der Geburt erfolgte, lässt sich aus der Grafik ablesen, dass in den Erntemonaten August bis September in dieser agrarisch geprägten Region weniger Kinder gezeugt wurden. Die hohe körperliche Belastung durch die überwiegend manuell verrichtete Erntearbeit mag sich in dieser Kurve niederschlagen.

Der Verlauf der Sterbekurve zeigt besonders hohe Sterbezahlen in den Wintermonaten und besonders niedrige im Sommer, was für unsere Klimazone typisch ist. Interessanter ist die Verteilung der Hochzeiten auf den Jahresverlauf: Der beliebteste Monat für die Eheschließung war mit weitem Abstand der November, während im März, im Dezember und in den Sommermonaten Juni bis September kaum geheiratet wurde. Auch diese Kurve sagt viel über den Arbeitsbedarf in der Landwirtschaft aus, in der von März bis Mitte Oktober die meisten Tätigkeiten anfielen. Der November hingegen – nach dem Einbringen der Ernte – erschien fast einem Drittel der Brautleute als bester Zeitpunkt für eine Heirat. Der Mai, der heute ein beliebter Monat für Hochzeiten ist, genoss in der damaligen Zeit keine besondere Attraktivität.

Bei den 2764 Taufen, die in den Kirchenbuchduplikaten erfasst sind, werden 292 unterschiedliche Familiennamen und 203 unterschiedliche Geburtsnamen der Mütter genannt. Die Häufigkeit der Namensnennung ist jedoch höchst ungleich verteilt und drei Viertel der Taufen entfallen auf nur 15 Familiennamen. Die nachfolgende Tabelle nennt die häufigsten Namen und ihre Anzahl:

RangFamiliennameAnzahl der NennungenGeburtsname d. MutterAnzahl der Nennungen
1Schulz340Garske292
2Garske292Schulz286
3Neumann232Neumann203
4Schmidt170Schmidt154
5Kluck137Radke116
6Heymann129Heymann106
7Koltermann120Lück96
8Litfin117Litfin94
9Remer107Robek93
10Robek88Kluck87
11Manthey84Koltermann86
12Will82Wiese86
13Tetzlaff63Remer65
14Radke61Ziebarth65
15Ziebarth59Brieske59
Summe20811888
Tabelle 3: Die Schreibweise der Familiennamen wurde für diese Tabelle vereinheitlicht.

Die erstaunliche Übereinstimmung der beiden Listen weist darauf hin, dass Ehen vielfach innerhalb der zahlenmäßig doch recht kleinen Marzdorfer Pfarre geschlossen wurde. Die hohe Konzentration auf nur wenige Namen ist ein signifikantes Merkmal für eine alteingesessene Bevölkerung, die weitgehend abgeschieden von der Außenwelt lebte. Die Konzentration bei den Geburtsnamen der Mütter fällt dabei etwas geringer aus als die der Familiennamen. Bemerkenswert ist z. B. dass der Name Buske, der im benachbarten Knakendorf weit verbreitet war, bei den Geburtsnamen mit 41 Nennungen auf Rang 19 landet, während er bei den Familiennamen nur elfmal genannt wird (Rang 31). Auch der Name Brieske wird 59-mal als Geburtsname genannt, aber nur 22-mal als Familienname.

Die meisten Namen wirken auf den ersten Blick deutsch, was dazu geführt hat, dass viele ältere Chronisten von einer »rein deutschen« Bevölkerung in Marzdorf in Umgebung sprachen1Ein Beispiel ist Karl Hunger, der in den 1930er Jahren in seiner Geschichte und Volkskunde des Dorfes Brunk (Neuauflage: Köln 2021, S. 31) von einer »rein deutschen« Bevölkerung spricht. Ein anderes ist der Marzdorfer Pfarrer Rehbronn, der ebenfalls in den 1930er Jahren von einem »reindeutschen Gebiet« sprach. (Leo Rehbronn: Das Deutsch Kroner Land, wiederveröffentlicht in: Johannesbote, Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl, Weihnachten 1962, S. 31).. Diese Behauptung mag allerdings ein Trugschluss sein, denn in den älteren Kirchenbüchern finden sich die gleichen Namen oft in einer ans Polnische angelehnten Schreibweise: Szulc, Garski, Neiman, Szmett, Klukoski, Radki … – Die Namen waren vermutlich deutsch-polnische Hybridformen und das gleiche mag für die Menschen gelten.

Bei der Häufigkeit der Familiennamen gab es auch zwischen den einzelnen Dörfern der Pfarre Marzdorf erhebliche Unterschiede. Die nachfolgende Tabelle nennt die sechs häufigsten Familiennamen in Brunk, Königsgnade, Lubsdorf sowie Marzdorf und gibt dazu den prozentualen Anteil an den Taufen im jeweiligen Dorf:

RangBrunkAnteil in %Königs-gnadeAnteil in %LubsdorfAnteil in %MarzdorfAnteil in %
1Heymann16,7Garske20,6Schulz31,6Neumann16,8
2Koltermann13,3Robek7,0Schmidt8,7Garske11,7
3Tetzlaff9,3Ziebarth6,4Garske8,6Schmidt8,8
4Neumann7,4Neumann5,9Will8,1Kluck8,0
5Kluck7,0Koplin4,7Manthey7,5Litfin7,6
6Radke6,3Will7,7Remer7,4Schulz7,6
Summe59,949,371,960,5
Tabelle 4: In jedem Dorf der Pfarre Marzdorf dominierte ein anderer Familiennamen.

Strukturell ähnlich, aber von nicht ganz so hohen Häufigkeiten geprägt war auch die Verteilung der Geburtsnamen der Mütter:

RangBrunkAnteil in %Königs-gnadeAnteil in %LubsdorfAnteil in %MarzdorfAnteil in %
1Heymann14,8Garske12,7Schulz25,0Neumann17,9
2Schulz12,7Lück9,1Garske9,7Schmidt10,5
3Koltermann9,9Robek6,8Schmidt7,0Garske10,2
4Garske8,9Radke6,4Wiese4,6Schulz6,2
5Tetzlaff7,0Ziebarth5,5Will4,6Litfin4,3
6Robek6,1Günterberg5,1Manthey4,4Lück4,1
Summe59,345,655,253,2
Tabelle 5: Auch bei den Geburtsnamen der Mütter stechen einzelne Namen deutlich heraus.

Beide Tabellen belegen die Annahme einer weitgehend abgeschlossenen, alteingesessenen Bevölkerung in der Marzdorfer Pfarre. Sie zeigen zudem, dass jedes Dorf einen eigenständigen sozialen Raum bildete. Die niedrigeren Zahlen von Königsgnade sind gewiss darauf zurückzuführen, dass das Dorf erst 1821 als Ausgründung aus Marzdorf entstanden war.

Die hohe Konzentration auf sehr wenige Namen führt bei der Familienforschung vielfach dazu, dass die knappen Einträge im Kirchenbuchduplikat nicht ausreichen, um eine bestimmte Person eindeutig zu identifizieren, zumal auch die aufgezeichneten Vornamen nur einen geringen Variantenreichtum aufweisen. Die nachfolgende Tabelle gibt die prozentuale Nennung der fünf häufigsten männlichen und weiblichen Vornamen bei den Täuflingen der Pfarre Marzdorf an:

RangVorname weiblichAnteil in %Vorname männlichAnteil in %
1Maria (selten: Marie)16,7Johann, Johannes11,2
2Anna (selten: Johanna)8,6Martin8,7
3Rosalia, Rosalie (selten: Rosa)8,6Michael6,4
4Apollonia6,7August6,0
5Catharina (selten: Katharina)4,1Joseph5,9
Summe44,338,2
Tabelle 6: Bei 82,5 aller Taufen fanden nur zehn Vornamen Verwendung.

Es verwundert nicht, dass in der traditionell frommen Marzdorfer Gemeinde christliche Vornamen vorherrschten. Die Beliebtheit der Namen Catharina und Michael kann sicherlich damit begründet werden, dass die Heilige Catharina das Patronzinium über die Marzdorfer Mutterkirche und der Heilige Michael das über die Filialkirche in Lubsdorf ausübte. Der Schutzheilige der Filialkirche in Brunk – der Heilige Jakob – fand hingegen nur bei 2,3 Prozent der Taufen Anklang, vielleicht weil die Gemeinde in Brunk verhältnismäßig klein war. Bei gut 40 Prozent der Taufen notierte der Pfarrer zwei oder mehr Taufnamen im Kirchenbuch; das war jedoch im Zeitraum von 1820 bis 1839 nur bei knapp 19 Prozent der Taufen der Fall, im Zeitraum von 1860 bis 1874 hingegen bei mehr als 60 Prozent. Ob es in der Gemeinde wirklich einen Trend zum Zweitnamen gab oder ob sich lediglich die Praxis der Übernahme ins Duplikat änderte, wissen wir freilich nicht. Bei Sterbeeinträgen und Heiraten gaben die Pfarrer häufig nur einen Vornamen an.

Erstaunlich ist, dass die patriotischen preußischen Vornamen Wilhelm und Friedrich (bei Knaben) oder Louise (bei Mädchen) in Marzdorf auch in dieser Zeit des nationalen Hochgefühls nur bei acht, sechs bzw. zwei Taufen Verwendung fanden. Auf den eher polnischen Vornamen Stanislaus wurden fünf Knaben getauft, drei Mädchen erhielten den Taufnamen Antonina, zwei hießen Victorina.

► Wird fortgesetzt.

Anmerkungen:

  • 1
    Ein Beispiel ist Karl Hunger, der in den 1930er Jahren in seiner Geschichte und Volkskunde des Dorfes Brunk (Neuauflage: Köln 2021, S. 31) von einer »rein deutschen« Bevölkerung spricht. Ein anderes ist der Marzdorfer Pfarrer Rehbronn, der ebenfalls in den 1930er Jahren von einem »reindeutschen Gebiet« sprach. (Leo Rehbronn: Das Deutsch Kroner Land, wiederveröffentlicht in: Johannesbote, Rundbrief der Priester der Freien Prälatur Schneidemühl, Weihnachten 1962, S. 31).

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