Grundbuch Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 10 (1842-1937)
Von alters her zählte die katholische Kirche zu den grösseren Grundeigentümern in Marzdorf. Aus der Chronik der Pfarre ist bekannt, dass der Kirchenbesitz in den 1820er Jahren 201 Morgen 177 Quadratruten Pfarrland und 116 Morgen 138 Quadratruten Kirchenland umfasste.1E. J. Krefft: Aus der Chronik der Pfarre Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020, S. 21 u. 29. Der Ertrag des Pfarrlandes kam allein dem jeweiligen Pfarrer zu, das Kirchenland war hingegen zum Unterhalt der Gemeinde und ihrer Bauten bestimmt. Während das Pfarrland bis 1945 im Besitz der Kirche verblieb,2Der letzte Pfarrer von Marzdorf, Pater Konrad Pickmeier, meldete in den 1950er Jahren 54 Hektar »Pfarrdienstland« zum Lastenausgleich an. Grund- und Betriebslisten des Gemeindebezirks Marzdorf. In: Bundesarchiv – Außenstelle Bayreuth, Signatur ZLA 7-32-1. gab es schon früh Bestrebungen, das Kirchenland zu verpachten. In der Pfarrchronik heißt es dazu:
»Das [Kirchen-]Land war in 24 Teile geteilt, von denen sieben Teile vom Gutsherrn, drei von Bauern aus Marzdorf und 14 von den Bauern aus Königsgnade bewirtschaftet wurden. Infolge dieser Anbaumethode brachte das Land nur sehr geringe Erträge. Daher wurde 1830, während der Amtszeit von Pfarrer Busse, eine Erbverpachtung versucht.«3E. J. Krefft: Aus der Chronik …, a. a. O., S. 25.
Zu der Zeit fand sich freilich kein Pachtinteressent und erst ein zweiter Versuch, der ein Jahrzehnt später auf Antrag des neuen Kirchenpatrons Johann Ferdinand Kloer unternommen wurde, führte dazu, dass »am 10. März 1842 […] mit Zustimmung von Pfarrer Katzer eine ordnungsgemäße Vereinbarung« mit dem Pächter Martin Kluck zu Stande kam.4A. a. O., S. 26.
Der unter diesem Datum abgeschlossene Erbpachtvertrag eröffnet auch als ältestes Dokument die Grundakte Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 10, die auf 140 einseitig paginierten Blättern die Geschichte des Kirchenpachtlandes bis ins Jahr 1937 behandelt. Die Akte wird heute im Archiwum Państwowe in Koszalin verwahrt;5Sąd Obwodowy w Mirosławcu (Amtsgericht Märkisch Friedland): Marzdorf [Marcinkowice] Band I, Blatt 10 Seite 145 Besitzer: Paul Kluck, Laufzeit 1842-1937, Signatur 26/112/0/3/170 im AP Koszalin. – Im Folgenden zitiert als: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10. ihr Originaltitel lautet:
»Acta hypothecaria des Patrimonialgerichts Marzdorf betreffend den hypothekarischen Zustand des in Marzdorf belegenen[,] im Hypothekenbuche sub No. Ⅹ verzeichneten Erbpacht-Grundstücks von 116 Morgen 138 □Ruthen magdeburgisch – Besitzer: Martin Kluck, Wittwe Kluck verehel. Martin Schulz, Johann Klucksche Eheleute, Paul Kluck.«6A. a. O., Umschlag.

Der Erbpachtvertrag wurde vor dem Marzdorfer Patrimonialgericht zwischen Kluck einerseits und den »gesetzlichen Vertreter[n] der hiesigen Kirche« andererseits abgeschlossen.7Verhandelt Marzdorf, 10. März 1842. In: A. a. O., Blatt 10 VS. Der Name des Königsgnader Bauern Stephan Robeck wird in der Akte »Rohbeck« geschrieben, beim »Eigenthümer« Franz Radke aus Marzdorf findet sich die Schreibweise »Radtke«. Als letztere werden benannt: Der Kirchenpatron Stadtrichter und Rittergutsbesitzer Johann Ferdinand Kloer, Propst Anton Katzer »als jetziger Pfarrer« und die beiden Kirchenvorstände Stephan Robeck und Franz Radke. Martin Kluck und der Kirchenvorstand Radke unterzeichneten das Dokument mit drei Kreuzen, konnten ihren Namen also nicht schreiben.
Das Erbstandsgeld wurde im Vertrag auf 100 Taler, der Erbpachtskanon auf jährlich 20 Taler festgelegt.8A. a. O., Blatt 10 RS. Die Verpächter willigten in die Berichtigung des Besitztitel auf den Namen des Erbpächters und in die Abschreibung im Hypothekenbuch, in das im Gegenzug der Erbpachtskanon und die nachfolgende Besitzeinschränkung eingetragen werden sollte:
»Erbpächter ist verpflichtet bei Veräußerungen unter Lebendigen den Konsens der Verpächterin […] einzuholen, welcher innerhalb drei Monate vom Tage der Anzeige gerechnet das Vorkaufsrechts zusteht, und falls sie dasselbe nicht ausübt, erhält sie den zehnten Groschen als Laudemium.«9Grundbuch Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10. In: A. a. O., Blatt 6 RS.
Nach den Angaben im Erbpachtvertrag hatte die Übergabe des betreffenden Grundstücks an Martin Kluck bereits im Juni 1840 – also zwei Jahre zuvor – stattgefunden.10Verhandelt Marzdorf, 10. März 1842. In: A. a. O., Blatt 10 RS. Auch das Erzbischöfliche General-Konsistorium in Posen hatte die Vererbpachtung bereits am 11. November 1840 autorisiert.11Abschrift des Patrimonialgerichts vom 15. September 1842. In: A. a. O., Blatt 19 VS.
Das Marzdorfer Patrimonialgericht leitete den Vertrag am 15. März 1842 zur Prüfung an das Oberlandesgericht in Marienwerder weiter, das am 27. Mai eine »Regulirung des Hypothekenwesens« sowie die Führung eines Hypothekenbuchs verordnete.12Schreiben des Oberlandesgerichts vom 27. Mai 1842. In: A. a. O., Blatt 16 VS. Das Letztere wurde am 15. September 1842 vom Patrimonialgericht in Märkisch Friedland erstellt. Kluck hatte zuvor das Erbstandsgeld bezahlt und kam auch für die anfallenden Gerichtskosten in Höhe von fünf Taler 29 Silbergroschen sechs Pfennig auf.13Actum Tuetz, 12. September 1842. In: A. a. O., Blatt 16 VS und Kostenrechnung dazu auf Blatt 18 RS.

Aus der Überlieferung ist bekannt, dass das vererbpachtete Kirchenland weit abseits vom Dorf zwischen Wucknick- und Böthinsee auf dem sogenannten Iretz lag. Weder im Vertrag noch im Hypothekenbuch findet sich jedoch eine Beschreibung der Lage oder der Beschaffenheit des verpachteten Grundstücks, die über eine reine Größenangabe hinausgeht. Es werden auch keine Bauten erwähnt, obwohl anzunehmen ist, dass Kluck mit seiner Familie an Ort und Stelle lebte. In späteren Jahren bezeichnete das Gericht in Märkisch Friedland das Grundstück als Abbau oder Ausbau von Marzdorf«.14Die Bezeichnung »Ausbau Marzdorf« wird auf einer Posturkunde vom 10. April 1856 (Blatt 53 VS der Grundakte) verwendet; die Bezeichnung »Abbau Marzdorf« nutzte das Gericht erstmalig auf einer Löschungsquittung vom 6. März 1856 (Blatt 56 VS der Grundakte) und von da an nahezu kontinuierlich. Die Bezeichnung »Iretz« findet sich in der Grundakte nur einmal – in einem Brief der Witwe Anna Christina Kluck aus dem Jahr 1899.15Brief vom 22. März 1899. In: A. a. O., Blatt 121 VS.

Der Pächter Martin Kluck war um 1805 in Knakendorf geboren und hatte am 7. Juli 1838 in Marthe die Witwe Rosalia Stelter geborene Brieske geheiratet.16Duplicat des Kirchenbuchs der Parochie Tütz 1823-1859. Kopie in: Erzbischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Signatur V 82, S. 148. – Abweichend dazu heißt es in der Pfarrchronik, Kluck stamme aus Lubsdorf. E. J. Krefft: Aus der Chronik …, a. a. O., S. 26. Aus ihrer Ehe sind fünf Kinder bekannt, von denen jedoch drei in früher Kindheit verstarben.17Der Sohn Martin starb 1843 im Alter von zwei, der Sohn Johann 1847 im Alter von drei und der Sohn Andreas August 1850 im Alter von vier Jahren. Amtsgericht Märkisch Friedland: General-Akten betreffend die Kirchenbuchduplikate der Gemeinde Marzdorf 1823-1874. In: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 609/40, S. 156, 171 u. 191. Das Erwachsenenalter erlebten nur zwei Töchter:
- Anna Kluck, geboren am 16. Juli 1839,18Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 24 RS. die am 8. Oktober 1860 in Marzdorf den um drei Jahrzehnte älteren Witwer Johann Wiese aus Wreschin bei Czarnikau heiratete;19General-Akten … a. a. O., S. 296.
- Maria Kluck, geboren am 2. Juli 1848,20Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10,, Blatt 24 RS. die am 4. Juli 1869 in Marzdorf der Bahnwärter »bei der Filehner Bahn« Johann Polzin heiratete.21General-Akten … a. a. O., S. 424. – Im Jahr 1870 lebte das Ehepaar Polzin in der »Bahnwärterbude No. 12« bei Filehne. Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10,, Blatt 72 VS.
Die Ehefrau von Martin Kluck, Rosalia geborene Brieske, stammte aus Schulzendorf. Sie hatte am 25. Januar 1835 in erster Ehe den Halbbauern Johann Stelter aus Marthe geheiratet,22Duplicat des Kirchenbuchs der Parochie Tütz 1823-1859. Kopie im Erzbischöflichen Zentralarchiv Regensburg, Signatur V 82, S. 88a. der aber bereits am 6. März 1838 im Alter von 39 Jahren verstarb.23A. a. O., S. 134. Aus der Verbindung ist der Sohn Joseph Victor Stelter – geboren am 6. Januar 1837 in Marthe – bekannt, den seine Mutter in die Ehe mit Martin Kluck einbrachte.24Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 24 RS.
Der Kossätenhof von Johann Stelter war nach dessen Tod zwangsversteigert worden25Actum Tütz, 30. September 1840. In: A. a. O., Blatt 29 RS. und es ist durchaus möglich, dass Martin Kluck die 100 Taler Erbstandsgeld für das Kirchenpachtland aus dem Erbe seiner Frau aufbrachte. Ein in der Grundakte enthaltenes Inventar gibt den Wert des Stelter’schen Hofs mit rund 322 Taler an.26Inventarium vom 18. April 1838. In: A. a. O., Blatt 31 VS bis 32 VS.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in Preußen vorwiegend Grundstücke mit unkultiviertem oder wenig fruchtbaren Boden in Erbpacht vergeben wurden.27Siehe dazu die Darstellung im Beitrag über die Erbpachtgerechtigkeit Neumann/Schulz. Vieles deutet darauf hin, dass auch das Marzdorfer Kirchenland in diese Kategorie fiel und die Kultivierung mit vielen Entbehrungen und oft auch einem frühen Tod verbunden war. In der Grundakte Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 10 nehmen jedenfalls Todesfälle und Erbrezesse bis in die 1860er Jahre hinein weiten Raum ein.
Am 20. März 1850 starb Rosalia Kluck im Alter von 37 Jahren in Marzdorf am Nervenfieber.28General-Akten … a. a. O., S. 191. Das Kreisgericht in Deutsch Krone, vor dem am 19. Juni 1850 der Erbrezess verhandelt wurde, verpflichtete zunächst Michael Kluck aus Königsgnade »mittelst Handschlags« zum Vormund der nachgelassenen Kinder.29Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 24 VS. In welcher Beziehung Michael Kluck zu Martin Kluck stand, geht aus der Grundakte nicht hervor. Es ist jedoch bekannt, dass Kluck mit der Bauerntochter Anna Maria Koplin verheiratet war30General-Akten … a. a. O., S. 102. und im Jahre 1844 einen Teil des Hirtengartens der Gemeinde Königsgnade erworben hatte.31Amt Märk.-Friedland: Grundsteuer-Kataster des adlichen Dorfes Koenigsgnade (August 1841). In: GStA PK, HA ⅩⅣ, Rep. 181, Abt. Ⅲ, Sign. 9729.

Nach dem Inventar, das am 29. April 1850 aufgenommen wurde, belief sich der Wert des Kluck’schen Erbpachtshofs auf 381 Taler 28 Silbergroschen und fünf Pfennig.32Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 25 VS. – Das Inventar selbst ist in der Grundakte nicht enthalten. Die Hälfte davon stand dem Witwer zu, die andere Hälfte wurde zu gleichen Teilen auf die Kinder der Verstorbenen aus erster und zweiter Ehe verteilt. Da der Sohn Andreas August kurz nach seiner Mutter verstorben war, fiel sein Erbteil an den Vater.33A. a. O., Blatt 25 RS. In der Verhandlung erklärte sich Martin Kluck bereit, den Töchtern Anna und Maria zusätzlich zu ihrem Muttererbe von 44 Taler 22 Silbergroschen drei fünf achtel Pfennig
»bei erreichter Großjährigkeit, oder aber, wenn sie sich verheirathen, ein aufgemachtes Bett im Werth von 20 rth[,] eine Kuh im Werth von 12 rth und vier Schafe oder 6 rth zu gewähren resp. zu zahlen, und zwar ohne Anrechnung auf ihr Erbtheil, sowie auch ebenso die Hochzeit auszurichten.«34A. a. O., Blatt 27 VS u. RS.
Diese Zusage sollte zusammen mit den Erbteilen im Hypothekenbuch des Pachtgrundstücks versichert werden, wo auch das noch ausstehende Vatererbe für den Stiefsohn Joseph Victor Stelter – ihm standen insgesamt 76 Taler 16 Silbergroschen achteinhalb Pfennig zu – einzutragen war. Die Eintragungen erfolgten allerdings erst im Juni 1851 an erster Stelle der dritten Hauptabteilung.35Grundbuch Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10. In: A. a. O., Blatt 7 RS. Die Gerichtskommission in Märkisch Friedland stellte Martin Kluck dafür am 25. Juni 1851 Gebühren in Höhe von drei Taler acht Pfennig in Rechnung.36Kostenrechnung vom 25. Juni 1851. In: A. a. O., Blatt 23 VS.
Schon am 13. Mai 1850 – also nicht einmal zwei Monate nach dem Tod von Rosalia geborene Brieske – vermählte sich Martin Kluck erneut. Zur zweiten Frau wählte er die Bauerntochter Anne Christina Wiese aus Königsgnade, die zur Zeit der Hochzeit 20 Jahre alt war.37General-Akten … a. a. O., S. 192. – Anna Christina Wiese wurde am 22. Juli 1829 in Königsgnade geboren. (General-Akten … a. a. O., S. 68-69.) Im Heiratseintrag wird nur ihr erster Vorname genannt und fälschlich ein Alter von 21 Jahren angegeben. Aus der Ehe sind zwei Kinder bekannt:
- Johann Kluck, geboren am 24. Juni 1851,38A. a. O., S. 197. gestorben am 8. Juli des Jahres;39A. a. O., S. 200.
- Martin Kluck, geboren am 8. April 1852.40A. a. O., S. 208.
Auch der zweiten Ehe war keine lange Dauer beschieden, denn am 25. April 1853 starb der Kirchenlandpächter Martin Kluck im Alter von 49 Jahren an einer Lungenentzündung.41A. a. O., S. 221. In der ersten Verhandlung zur Erbregelung, die am 13. September des Jahres in Märkisch Friedland stattfand, wurde der Marzdorfer Kossät Johann Neumann als Vormund des hinterbliebenen Sohnes Martin verpflichtet42Actum Märk. Friedland, 13. September 1853. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 38 VS. und der Nachlasswert auf 1660 Taler 17 Silbergroschen fünf achtel Pfennig bestimmt.43A. a. O., Blatt 39 RS.

Die gewaltige Wertsteigerung von rund 430 Prozent in nur drei Jahren ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass nun erstmals der Wert des Grundstücks mit 1552 Taler zur Anrechnung kam, weil das preußische Ablösungsgesetz vom 2. März 1850 die Eigentumsrechte der Erbverpächter aufgehoben hatte.44P. Stoepel: Preußischer Gesetz-Codex, Band Ⅲ, 1849-1856, Frankfurt/Oder 1862, S. 69. Das Gericht in Deutsch Krone hatte dieses Gesetz im Juni 1850 offenbar noch nicht angewandt.
Martin Kluck hatte zwar vor dem Dorfgericht ein Testament hinterlassen, aber das wurde vom Gericht nicht als rechtsgültig akzeptiert.45Actum Märk. Friedland, 13. September 1853. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 38 RS. Es kam daher die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, und der Witwe stand lediglich ein Viertel des Nachlasses zu, weil sie zum Zeitpunkt der Eheschließung nach dem Gesetz minderjährig war und daher mit ihrem Ehemann »in getrennten Gütern« lebte.46A. a. O., Blatt 38 VS. Diese Ausgangssituation scheint Anna Christina Kluck überfordert zu haben, denn es heißt im Gerichtsprotokoll:
»Vorläufig kann sich die Wittwe noch nicht darüber auslassen, ob sie den ganzen Nachlaß für die Taxe annehmen werde oder nicht, da es bei ihrem geringen Erbe es ihr schwer werden würde[,] die Erbtheile der Kinder auszuzahlen. Sie bittet daher um eine 8-14 tägige Bedenkzeit behufs Abgabe ihrer Erklärung […]«47A. a. O., Blatt 40 VS.
In der zweiten Verhandlung zur Erbregelung, die am 11. Oktober 1853 in Märkisch Friedland stattfand, schlugen die beiden Vormünder Michael Kluck und Johann Neumann vor, der Witwe den Nachlass zum reduzierten Annahmepreis von 1200 Taler zu überlassen.48Erbrezess vom 11. Oktober 1853. In: A. a. O., Blatt 41 RS. Zur Begründung führten sie aus:
»Es ist sehr zweifelhaft[,] ob bei einem zu veranlassenden Verkaufe der zum Nachlasse gehörigen Grundstücke der Taxpreis wird erzielt werden können, außerdem ist bei einer Veräußerung des Grundstückes Marzdorf Nr. 10 der zehnte Groschen von dem Kaufgelde an die Kirche von Marzdorf zu zahlen[,] welches Laudemium bei einer Ueberlassung des Grundstückes an einen Miterben wegfällt.
Ferner würde bei einem Verkaufe des Nachlassgrundstücks an einen Fremden die Unterbringung der Kinder des Erblassers[,] von denen die älteste Anna zwar schon 14 Jahr[,] aber kränklich[,] die beiden anderen Maria und Martin noch klein und unerzogen sind, mit Schwierigkeiten und Kosten verbunden sein, die aus dem den Pupillen ausgeschichteten Capitale genommen werden müssten und die Zinsen des Grundstücks übersteigen würden.«49A. a. O., Blatt 40 RS bis 41 VS.
Anna Christina Kluck war bereit, den Nachlass für diesen abgesenkten Preis zu übernehmen, weshalb nun »unter Voraussetzung der obervormundschaflichen Genehmigung« der Erbrezess geschlossen werden konnte.50A. a. O., Blatt 42 VS. Darin verpflichtete sich die Witwe, die drei nachgelassenen Kinder Anna, Maria und Martin Kluck »ordentlich zu erziehen und standesgemäß zu bekleiden und zu unterhalten, so lange sie dessen bedürftig sind«,51A. a. O., Blatt 43 VS u. RS. und ihnen zudem je 300 Taler »bei erreichter Großjährigkeit oder bei ihrer Verheirathung auszuzahlen, die Erbtheile auch vom 14 Lebensjahre der Minorennen ab mit 5 Prozent zu verzinsen«.52A. a. O., Blatt 42 VS. Dem Stiefsohn ihres Mannes, Joseph Victor Stelter wollte sie 15 Taler zukommen lassen, weil Martin Kluck es »aus freiem Antriebe« so vorgesehen hatte.53A. a. O., Blatt 42 RS.

Mit dem Nachlass übernahm Anna Christina Kluck auch die bereits ausgesetzten Erbteile von Anna und Maria Kluck sowie von Joseph Victor Stelter, die auf dem Grundstück lasteten. Sie versprach, die Gesamtforderungen von Anna Kluck und Joseph Victor Stelter zu Neujahr 1854 bar auszuzahlen, die Vatererbteile von Maria und Martin Kluck in Höhe von 600 Taler dagegen hypothekarisch zu versichern.
Erstmalig wird im Erbrezess das Grundstück Königsgnade Band Ⅰ, Blatt Nr. 33 erwähnt, das Anna Christina Kluck vermutlich in die Ehe eingebracht hatte und das nun zum Nachlass ihres Mannes gehörte.54A. a. O., Blatt 44 VS. Es bestand aus mehreren Acker- und Weideparzellen in einer Gesamtgröße von 14 Morgen 60 Quadratruten und war mit 150 Taler Schulden belastet.55Eintragungsvermerk vom 20. Dezember 1853. In: A. a. O., Blatt 36 RS u. 37 VS.
Am 30. Oktober 1853 heiratete die Witwe Anna Christine Kluck den 26 Jahre alten Bauernsohn Martin Schulz aus Lubsdorf,56General-Akten … a. a. O., S. 223. der damit gütergemeinschaftlicher Miteigentümer des Nachlasses von Martin Kluck wurde. Schulz genehmigte am 22. November 1853 den Erbrezess vom 11. Oktober des Jahres und stimmte der Verpfändung der Grundstücke Marzdorf Band Ⅰ, Blatt Nr. 10 und Königsgnade Band Ⅰ, Blatt Nr. 33 zur Sicherung der Erbansprüche von Maria und Martin Kluck zu.57Actum Märk. Friedland, 22. November 1853. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 45 VS.
Die Gerichtskommission in Märkisch Friedland trug diese Ansprüche über 600 Taler am 20. Dezember 1853 als Grundschuld in die Hypothekenbücher der betroffenen Grundstücke ein und berichtigte gleichzeitig die Besitztitel auf die »Wittwe Anna Kluck geb. Wiese, welche mit ihrem jetzigen Ehemann Martin Schulz in Gütergemeinschaft lebt«.58Eintragungsvermerk vom 20. Dezember 1853. In: A. a. O., Blatt 36 VS u. 37 VS. Die Gebühren in Höhe von 21 Talern und 14 Silbergroschen wurden am 22. Dezember des Jahres dem »verehel. Bauer Martin Schulz« in Rechung gestellt.59Kostenrechnung vom 22. Dezember 1853. In: A. a. O., Blatt 37 RS.
Obwohl Anna Christine Kluck zugesagt hatte, die Erbteile des nun 16-jährigen Joseph Victor Stelter und der 14-jährigen Anna Kluck zu Neujahr 1854 auszuzahlen, scheinen die Zahlungen nicht pünktlich erfolgt zu sein. Der Halbbauer Franz Stelter in Marthe quittierte als Vormund von Joseph Victor jedenfalls erst am 6. März 1856 über den richtigen Empfang des seinem Kuranden ausgesetzten Erbteils und Legats von insgesamt 91 Taler 16 Großen acht Pfennig.60Verhandelt Tütz, 6. März 1856. In: A. a. O., Blatt 56 VS. Die Tochter Anna bestätigte den vollständigen Erhalt ihres Erbteils gar erst am 3. Juli 1874 aus Ludwigsdorf bei Filehne, wo sie mit dem Bauern Lucas Kubis in zweiter Ehe lebte.61Verhandelt Filehne, 3. Juli 1874. In: A. a. O., Blatt 99 VS.

Aus der zweiten Ehe von Anna Christine geborene Wiese mit Martin Schulz sind vier Kinder bekannt:
- Rosalie Schulz, geboren am 22. August 1854,62Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS. In den Kirchenbuch-Duplikaten wird abweichend der 16. August 1854 angegeben. General-Akten … a. a. O., S. 228. die 1881 mit dem Stellmacher Franz Brieske in Harmelsdorf verheiratet war;63Verhandelt Märk. Friedland, 24. Juni 1881. In: A. a. O., Blatt 95 VS.
- Pauline Schulz, geboren am 21. Februar 1857,64Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS. die wie bereits erwähnt Anton Schmikowski heiratete;65Siehe dazu die Darstellung im Beitrag über den Schmikowski’schen Freikossätenhof.
- Bernhard Schulz, geboren am 20. August 1860,66Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS. der 1891 als Schuhmachermeister in Schneidemühl lebte;67Verhandelt Märk. Friedland, 29. Mai 1891. In: A. a. O., Blatt 109 VS.
- Johann Stephan Schulz, geboren am 10. April 1863,68Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS. gestorben am 4. März 1867.69Erbbescheinigung vom 30. Mai 1891. In: A. a. O., Blatt 110 VS.
Knapp zwei Jahre nach der Geburt des vierten Kindes wurde Anna Christina Schulz erneut Witwe, denn ihr Ehemann Martin Schulz starb am 18. Februar 1865 im Alter von nur 39 Jahren.70Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS. Da die entsprechenden Seiten in den Kirchenbuch-Duplikaten fehlen, ist die Todesursache unbekannt.

Wird fortgesetzt …
Anmerkungen:
- 1E. J. Krefft: Aus der Chronik der Pfarre Marzdorf. In: Das Archiv, Nr. 6, August 2020, S. 21 u. 29.
- 2Der letzte Pfarrer von Marzdorf, Pater Konrad Pickmeier, meldete in den 1950er Jahren 54 Hektar »Pfarrdienstland« zum Lastenausgleich an. Grund- und Betriebslisten des Gemeindebezirks Marzdorf. In: Bundesarchiv – Außenstelle Bayreuth, Signatur ZLA 7-32-1.
- 3E. J. Krefft: Aus der Chronik …, a. a. O., S. 25.
- 4A. a. O., S. 26.
- 5Sąd Obwodowy w Mirosławcu (Amtsgericht Märkisch Friedland): Marzdorf [Marcinkowice] Band I, Blatt 10 Seite 145 Besitzer: Paul Kluck, Laufzeit 1842-1937, Signatur 26/112/0/3/170 im AP Koszalin. – Im Folgenden zitiert als: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10.
- 6A. a. O., Umschlag.
- 7Verhandelt Marzdorf, 10. März 1842. In: A. a. O., Blatt 10 VS. Der Name des Königsgnader Bauern Stephan Robeck wird in der Akte »Rohbeck« geschrieben, beim »Eigenthümer« Franz Radke aus Marzdorf findet sich die Schreibweise »Radtke«.
- 8A. a. O., Blatt 10 RS.
- 9Grundbuch Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10. In: A. a. O., Blatt 6 RS.
- 10Verhandelt Marzdorf, 10. März 1842. In: A. a. O., Blatt 10 RS.
- 11Abschrift des Patrimonialgerichts vom 15. September 1842. In: A. a. O., Blatt 19 VS.
- 12Schreiben des Oberlandesgerichts vom 27. Mai 1842. In: A. a. O., Blatt 16 VS.
- 13Actum Tuetz, 12. September 1842. In: A. a. O., Blatt 16 VS und Kostenrechnung dazu auf Blatt 18 RS.
- 14Die Bezeichnung »Ausbau Marzdorf« wird auf einer Posturkunde vom 10. April 1856 (Blatt 53 VS der Grundakte) verwendet; die Bezeichnung »Abbau Marzdorf« nutzte das Gericht erstmalig auf einer Löschungsquittung vom 6. März 1856 (Blatt 56 VS der Grundakte) und von da an nahezu kontinuierlich.
- 15Brief vom 22. März 1899. In: A. a. O., Blatt 121 VS.
- 16Duplicat des Kirchenbuchs der Parochie Tütz 1823-1859. Kopie in: Erzbischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Signatur V 82, S. 148. – Abweichend dazu heißt es in der Pfarrchronik, Kluck stamme aus Lubsdorf. E. J. Krefft: Aus der Chronik …, a. a. O., S. 26.
- 17Der Sohn Martin starb 1843 im Alter von zwei, der Sohn Johann 1847 im Alter von drei und der Sohn Andreas August 1850 im Alter von vier Jahren. Amtsgericht Märkisch Friedland: General-Akten betreffend die Kirchenbuchduplikate der Gemeinde Marzdorf 1823-1874. In: Archiwum Państwowe w Koszalinie, Signatur 609/40, S. 156, 171 u. 191.
- 18Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 24 RS.
- 19General-Akten … a. a. O., S. 296.
- 20Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10,, Blatt 24 RS.
- 21General-Akten … a. a. O., S. 424. – Im Jahr 1870 lebte das Ehepaar Polzin in der »Bahnwärterbude No. 12« bei Filehne. Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10,, Blatt 72 VS.
- 22Duplicat des Kirchenbuchs der Parochie Tütz 1823-1859. Kopie im Erzbischöflichen Zentralarchiv Regensburg, Signatur V 82, S. 88a.
- 23A. a. O., S. 134.
- 24Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 24 RS.
- 25Actum Tütz, 30. September 1840. In: A. a. O., Blatt 29 RS.
- 26Inventarium vom 18. April 1838. In: A. a. O., Blatt 31 VS bis 32 VS.
- 27Siehe dazu die Darstellung im Beitrag über die Erbpachtgerechtigkeit Neumann/Schulz.
- 28General-Akten … a. a. O., S. 191.
- 29Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 24 VS.
- 30General-Akten … a. a. O., S. 102.
- 31Amt Märk.-Friedland: Grundsteuer-Kataster des adlichen Dorfes Koenigsgnade (August 1841). In: GStA PK, HA ⅩⅣ, Rep. 181, Abt. Ⅲ, Sign. 9729.
- 32Erbrezess vom 19. Juni 1850. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 25 VS. – Das Inventar selbst ist in der Grundakte nicht enthalten.
- 33A. a. O., Blatt 25 RS.
- 34A. a. O., Blatt 27 VS u. RS.
- 35Grundbuch Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10. In: A. a. O., Blatt 7 RS.
- 36Kostenrechnung vom 25. Juni 1851. In: A. a. O., Blatt 23 VS.
- 37General-Akten … a. a. O., S. 192. – Anna Christina Wiese wurde am 22. Juli 1829 in Königsgnade geboren. (General-Akten … a. a. O., S. 68-69.) Im Heiratseintrag wird nur ihr erster Vorname genannt und fälschlich ein Alter von 21 Jahren angegeben.
- 38A. a. O., S. 197.
- 39A. a. O., S. 200.
- 40A. a. O., S. 208.
- 41A. a. O., S. 221.
- 42Actum Märk. Friedland, 13. September 1853. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 38 VS.
- 43A. a. O., Blatt 39 RS.
- 44P. Stoepel: Preußischer Gesetz-Codex, Band Ⅲ, 1849-1856, Frankfurt/Oder 1862, S. 69.
- 45Actum Märk. Friedland, 13. September 1853. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 38 RS.
- 46A. a. O., Blatt 38 VS.
- 47A. a. O., Blatt 40 VS.
- 48Erbrezess vom 11. Oktober 1853. In: A. a. O., Blatt 41 RS.
- 49A. a. O., Blatt 40 RS bis 41 VS.
- 50A. a. O., Blatt 42 VS.
- 51A. a. O., Blatt 43 VS u. RS.
- 52A. a. O., Blatt 42 VS.
- 53A. a. O., Blatt 42 RS.
- 54A. a. O., Blatt 44 VS.
- 55Eintragungsvermerk vom 20. Dezember 1853. In: A. a. O., Blatt 36 RS u. 37 VS.
- 56General-Akten … a. a. O., S. 223.
- 57Actum Märk. Friedland, 22. November 1853. In: Grundakte Marzdorf Bd. Ⅰ, Bl. Nr. 10, Blatt 45 VS.
- 58Eintragungsvermerk vom 20. Dezember 1853. In: A. a. O., Blatt 36 VS u. 37 VS.
- 59Kostenrechnung vom 22. Dezember 1853. In: A. a. O., Blatt 37 RS.
- 60Verhandelt Tütz, 6. März 1856. In: A. a. O., Blatt 56 VS.
- 61Verhandelt Filehne, 3. Juli 1874. In: A. a. O., Blatt 99 VS.
- 62Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS. In den Kirchenbuch-Duplikaten wird abweichend der 16. August 1854 angegeben. General-Akten … a. a. O., S. 228.
- 63Verhandelt Märk. Friedland, 24. Juni 1881. In: A. a. O., Blatt 95 VS.
- 64Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS.
- 65Siehe dazu die Darstellung im Beitrag über den Schmikowski’schen Freikossätenhof.
- 66Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS.
- 67Verhandelt Märk. Friedland, 29. Mai 1891. In: A. a. O., Blatt 109 VS.
- 68Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS.
- 69Erbbescheinigung vom 30. Mai 1891. In: A. a. O., Blatt 110 VS.
- 70Erbrezess vom 13. Dezember 1865. In: A. a. O., Blatt 64 VS.
