Die Pfarre Marzdorf 1823-1874 – Teil III

Das Allgemeine Landrecht von 1794 verlangte bei allen Eintragungen ins Kirchenbuch zwingend die Angabe des Standes der Eltern, der Verstorbenen und der jeweiligen Zeugen. Diese Informationen finden sich auch in den Kirchenbuch-Duplikaten, was Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Struktur der Marzdorfer Pfarre ermöglicht. Allerdings sind die Standesbegriffe, die in den Zweitschriften gebraucht werden, äußerst vielfältig und wenig konsistent. Allein in den Duplikaten der Taufbücher der Jahre 1823 bis 1874 lassen sich bei insgesamt 2 764 Einträgen 116 unterschiedliche Standesangaben in deutscher und lateinischer Sprache zählen.

Viele dieser Angaben – gerade bei den Trauzeugen – beschränken sich auf die Nennung des Familienstandes: Jüngling, Ehefrau, Witwe. Bei anderen Ereignissen notierten die Pfarrer Berufsangaben – Schuhmacher, Schneider, Briefträger – abwechselnd mit Angaben zum Besitz – Eigentümer, Pächter, Gutsbesitzer – oder zu einer sozialen Funktion: Kirchenvorstand, Schulze, Dorfdiener. Am häufigsten sind jedoch Bezeichnungen, die gesellschaftlich und historisch konnotiert sind: Bauer, Kossät, Beikossät, Einlieger, Erbherr.

In der Vielfalt der Standesangaben spiegeln sich fundamentale Veränderungen in der preußischen Gesellschaft seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die tradierten Geburtsstände wie Edelmann, Bauer oder Bürger wurden zunehmend durch Besitzstände abgelöst, neben denen sich bereits funktionale Berufsgruppen formierten1Die Erosion der ständischen Gesellschaft war nur ein Aspekt des Wandels, den die preußischen Landgemeinden im Zeitraum von 1830 bis 1900 in ökonomischer, administrativer und juristischer Hinsicht erlebten. Siehe dazu: P. Wagner: Bauern, Junker und Beamte. 2005..

Wie bereits erwähnt, führte Conrad Busse die Kirchenbuch-Duplikate von 1825 bis 1835 durchgängig auf Latein. Die nachfolgende Tabelle stellt den von ihm genutzten lateinischen Standesbegriffen die deutschsprachigen zur Seite, die in den übrigen Jahren – mitunter bei denselben Personen – Verwendung fanden

LateinDeutschLateinDeutsch
AgricolaKossät, EigentümerFerri FaberSchmied
BaccalaureusSchullehrerHare(de)s bonorumErbherr des Gutes
CarpentariusStellmacherInquilinus2Nach I. J. G. Scheller: Deutsch-lateinisches Lexicon. 1784, Spalte 757 ist ein inquilinus ein Häusler »ohne eigenes Haus«.Einwohner, Einlieger
CauponisGastwirt, HändlerOpilioSchaf- o. Ziegenhirt
ColonusBauerPastor (pecoris)(Schweine-)hirt
ConductorisPächterPiscatorFischer
CossetusKossät, EigentümerPossessor domusHäusler
Custodis saltus / silvaeWaldhüter, FörsterSartorSchneider
Fabri cupariiKüfnerScriniariusTischler
Fabricator CrematiBrennerScultetusSchulze
Famula, FamulusGehilfeVillicus(Guts-)Verwalter
Tabelle 10: Standesbezeichnungen auf Latein und Deutsch.

Die ständische Gesellschaft im ländlichen Preußen des 19. Jahrhunderts war hierarchisch geprägt, wobei sich aus jeder Position spezifische Rechte (und Pflichten) ergaben. An der Spitze der Standespyramide stand der Gutsherr, der nicht nur über den meisten Besitz verfügte, sondern bis 1873 auch die örtliche Polizeigewalt und bis 1849 die Patrimonialgerichtsbarkeit ausübte. Er stand als Patron den Kirchen und Schulen des Amtsbezirks vor, für deren Unterhalt er verantwortlich war3In den Schulakten von Königsgnade, die heute in Piła verwahrt werden, befindet sich eine Aufstellung über Patronatslasten in Höhe von 73 113 Mark, die das Dominium Marzdorf noch in den Jahren 1894 bis 1923 für den Unterhalt der lokalen Schulen und Kirchen aufbringen musste. (Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Actra betr. Schulbauten in Königsgnade 1887-1936, undatiertes Schreiben, ohne Pagina.). Die Rechte des Gutsherr waren nicht an seine Person gebunden, sondern an den Gutsbesitz – formal betrachtet handelte sich also um einen Besitzstand, dem freilich eine ganz besondere administrative und gesellschaftliche Rolle zufiel. Die Besitzverhältnisse des Marzdorfer Dominiums änderten sich zwischen 1823 und 1874 zweimal: Bis 1832 war der Erbherr Kalixtus von Grabski Eigentümer des Guts, dann fiel es in Folge einer Subhastation an Carl Ferdinand Kloer, der es wiederum 1848 an Franz Guenther verkaufte. Sowohl die Namen Grabski wie auch Kloer sind in den Kirchenbuch-Duplikaten zu finden, Angehörige der Familie Guenther finden sich hingegen nicht.4In den Kirchenbuch-Duplikaten findet sich bei drei Taufen der Jahre 1864 bis 1872 noch ein weiterer »Gutsbesitzer«: Bernhard Schmidt in Marzdorf. Diese Standeszuschreibung durch die Pfarrer Steinke, Harski und Krefft ist rätselhaft, denn Bernhard Schmidt bewirtschaftete kein Gut, sondern das Kruggrundstück, dass sein Vorfahr Martin Schmidt 1706 erworben hatte. Dessen Nachfahre Christoph Schmidt wird 1772 als Zinsbauer auf einer Hufe Land im Kontributionskataster erwähnt, wo sich auch eine Abschrift des ursprünglichen Privilegs findet. GStA PK: Kontributionskataster Dorf Martzdorff, Blatt 251 ff.

Weit unterhalb des Gutsherrn, aber an der Spitze der eigentlichen Dorfgesellschaft standen die Bauern, die in den Zweitschriften auch die Bezeichnung Colonus5Die eigentliche Wortbedeutung von Colonus ist »Jemand, der sich mit dem Ackerbau beschäftigt, gleichviel ob auf seinem Eigenthume oder als arator oder im Kleinen, d. h. als Pächter einer Staatsdomäne oder eines Privatgrundstückes«. (F. Schmalfeld: Lateinische Synonymik. 1869, S. 139.) Im Duplikat wird der Begriff immer nur für die bäuerlichen Eigentümer verwendet. tragen. Im 19. Jahrhundert bildeten auch sie de jure nur einen Besitzstand, dem keine Sonderrechte gegenüber anderen ländlichen Eigentümern zukam. Faktisch war das jedoch anders, denn vielerorts bestimmten die Bauern traditionell mehr oder minder allein die Geschicke eines Dorfes. In der Regel stellten sie den Schulzen und die Dorfgeschworenen, weil andere Bevölkerungsgruppen dazu »weder die Zeit noch das nöthige Ansehen«6R. Wegner: Grundzüge einer zeitgemäßen Reorganisation des Gemeindewesens. 1850, S. 34. hatten.

Eine herausgehobene Schicht innerhalb des Bauernstandes bildeten die Freibauern und Freischulzen, die schon vor der Bauernbefreiung von persönlichen Diensten befreit waren7»Auch in Westpreußen waren schon in polnischer Zeit an einigen Orten die Bauern von Scharwerksdienst entbunden und auf einen höhern Zinsfuß gesetzt; sie hießen Freibauern […]«. A. von Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den Provinzen Ost- und West-Preußen. 1839, S. 225.. Zum Bauernstand gehörten ebenfalls die Gastwirte, die ihren Dorfkrug in der Regel im Nebenerwerb8Eine Ausnahme mag Johann Neumann in Marzdorf gewesen sein, der ab 1863 genannt wird. führten, und die Altsitzer, die mit zehn Taufen in den Kirchenbuch-Duplikaten verzeichnet sind. Es war damals nicht ganz ungewöhnlich, dass sich Bauern schon früh aufs Altenteil zurückzogen, als Witwer dann noch einmal heirateten und eine neue Familie gründeten. Der Elbinger Stadtrat Rudolph Wegner schrieb dazu 1850:

»Allgemein üblich ist es z. B. daß der junge Bauersohn sich wo möglich durch Verbindung mit einer alten Wittwe in einen Hof hinein heirathet, und sich in späteren Jahren, wenn diese gestorben, wieder durch ein unverhältnißmäßig junges Weib zu entschädigen sucht. Aus natürlicher Trägheit liebt es dann der Bauer, sich kaum 50jährig von seinem Sohn auf Altentheil setzen zu lassen, wodurch er, noch in vollen Kräften, zur drückendsten Last der Seinen wird, was natürlich kein gutes Familienverhältniß giebt.«9R. Wegner, a. a. O. 1850, S. 53.

Eine Stufe unter den Bauern standen die Kossäten, die im Kirchenbuch auch Ackersmann, Agricola, Cossetus, Halbbauer oder Eigentümer10Einige Begriffe werden zeitlich versetzt genutzt: Ackersmann nur 1823, Cossetus nur 1825, Agricola von 1825 bis 1835, Halbbauer nur 1872. Mit den Begriffen Kossät und Eigentümer werden zudem gleiche Personen benannt, so gilt Johann Günterberg in Marzdorf 1858 als Eigentümer, 1860 als Kossät, 1862 und 1864 wieder als Eigentümer und 1865 sowie 1870 als Kossät. benannt sind. Sie bewirtschafteten ebenfalls als Landwirte den eigenen Besitz, der aber meist kleiner ausfiel als die bäuerlichen Höfe. Vor der Gemeinheitsteilung (in Königsgnade 1850) gehörte das Land der Kossäten nicht – oder nicht gänzlich – zur bäuerlichen Feldflur der Dörfer, weshalb sie bei Flursachen nicht mitbestimmen konnten11»Daraus erklärt sich das geringere Ansehen des Kossäthen: er hat keinen Antheil an den gemeinsamen Angelegenheiten der Flur, er hat in Flursachen nicht mit­zureden; er steht außerhalb des Kreises der Bauern, des Kreises, der durch die Wirthschaft nach gemeinsamer Regel zusammengehalten wird.« G. F. Knapp: Die Bauern-Befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens. 1887, S. 12.. Nach der Gemeinheitsteilung wurde dieser Unterschied hinfällig, der Standesbegriff blieb aber bestehen. Wie aus den Duplikaten hervorgeht, waren einige der Fischer in Neu Prochnow – z. B. Johann Behnke und Joseph Manthey – gleichzeitig Kossäten.

Die Beikossäten, die eine Stufe unter den Kossäten standen, stellten unter diesem Namen eine Besonderheit des Deutsch Kroner Landes dar. Auch sie bewirtschafteten als Landwirte eigenen Besitz, dessen Umfang jedoch nicht ausreichte, um die Familie zu ernähren. Sie verdingten sich deshalb zeitweise als Landarbeiter auf dem Gut – seltener in den Bauernwirtschaften der Pfarre – und waren damit nur noch nebenbei Kossäten. In den Duplikaten ist diese Kategorie erst ab 1842 zu finden. Es ist unbekannt, ob es den Stand vorher nicht gab oder ob Pfarrer Busse seine Angehörigen nur nicht so bezeichnete.

Ebenfalls zu den Landwirten – jedoch nicht zu den Landbesitzern – gehörten die Pächter, die in der Pfarre Marzdorf freilich nicht häufig waren. Die Kirchenbuch-Duplikate nennen in Marzdorf die Kirchenland-Pächter Martin Kluck und Martin Schulz sowie in Lubsdorf die Pfarrbüdner Johann Schulz und Johann Schmidt, die wohl eine Pachtstelle nacheinander bewirtschafteten12Johann Schmidt wird in den Kirchenbuch-Duplikaten erstmalig 1867, nach dem im Oktober 1866 erfolgten Tod von Johann Schulz, als Pfarrbüdner in Lubsdorf erwähnt.. Zusätzlich wird in Königsgnade 1856 Martin Garske als Erbpächter bezeichnet, der freilich noch 1855 als Eigentümer im Duplikat stand. Es ist bekannt, dass die Familie Kluck das Pacht­land auf dem Abbau Iretz später erwarb. In diesem Fall wurden aus Pächtern Bauern.

Anders als die Pächter gehörten die Häusler zu den ländlichen Grundbesitzern, nicht aber zu den Landwirten. Ihr Eigentum beschränkte sich auf das eigene Haus und etwas Gartenland, das im Nebenerwerb bestellt wurde. Im Haupterwerb waren viele Häusler Handwerker, was die Pfarrer mitunter auch in den Duplikaten vermerkten: So findet sich Johann Garske aus Marzdorf als Häusler und Schmied und Johann Göhrke in Königsgnade als Häusler und Schuhmacher in den Büchern. In Dreetz und Neu Prochnow waren einige der Fischer Häusler, in Marzdorf stellten sie einen hohen Anteil der beständigen Gutsarbeiter. In drei Fällen wird in den Taufbuch-Duplikaten die Standesbezeichnung Käthner gebraucht, die eigentlich den Kossäten bezeichnet. Pfarrer Katzer nutzte sie aber in allen drei Fällen13Der 1842 als Käthner geführte Peter Garske aus Königsgnade erscheint im Separationsrezess von 1850 als Eigenhäusler mit 15 Morgen Land. Die im Rezess ebenfalls genannten Kossätenhöfe waren durchschnittlich 50 Morgen groß. (GStA PK: Grundsteuer-Kataster des adlichen Dorfes Koenigsgnade 1841-1850.) für Häusler.

Auf der untersten Stufe der ländlichen Gesellschaft stand der besitzlose Stand der Landarbeiter, die in den Kirchenbuch-Duplikaten als Einlieger, Einwohner14Die Bezeichnung Einwohner findet sich nur 1824 in den Duplikaten. Im Jahr 1823 nutzte Pfarrer Busse auch für diese Gruppe die Bezeichnung Häusler, im Jahr 1825 wechselte er zu Inquilinus., Inquilini, Arbeiter15Die Bezeichnung Arbeiter wird in den Duplikaten nur von Pfarrer Steinke in den Jahren 1865 bis 1867 gebraucht. Die Pfarrer Katzer, Harski und Krefft schrieben Arbeitsmann., Tagelöhner, Bediente, Knechte oder Mägde benannt sind. All diese Bezeichnungen wurden zeitlich verschoben mehr oder minder synonym genutzt, und es finden sich viele Fälle, in denen Knechte bei anderer Gelegenheit als Einlieger oder Arbeiter galten. Wenn nicht die Nachlässigkeit der Pfarrer die Ursache war, scheint diese Schicht überhaupt eine gewisse Durchlässigkeit besessen zu haben, denn mancher Einlieger oder Knecht steht bei anderen Anlässen als Beikossät16Ein Beispiel ist Franz Marten aus Marzdorf, der 1863 im Taufbuch-Duplikat als Arbeitsmann bezeichnet wird, 1865 als Beikossät, 1870 als Einlieger und 1872 wieder als Beikossät. oder Häusler17Stephan Litfin aus Marzdorf z. B. wurde in den Taufbuch-Duplikaten 1863 als Arbeitsmann geführt, 1865 und 1867 als Einlieger, 1869 als Häusler, 1872 wieder als Einlieger. Etwas glaubwürdiger erscheint die Entwicklung bei Michael Kluck aus Königsgnade: Er wurde 1859 als Knecht geführt, 1861 bis 1863 als Einlieger und ab 1865 als Häusler. in den Duplikaten. Die Mehrheit der Landarbeiter fand sicherlich auf dem Gut in Marzdorf Beschäftigt, aber auch in den Bauerndörfern der Umgebung sind Einlieger, Knechte und Mägde zu finden. Interessant ist vielleicht die Karriere von Martin Schmidt, der 1829 als Famulus diente, 1831 als Inquilinus Erwähnung fand und nach 1833 als Vogt das Marzdorfer Gut verwaltete.

Neben den beschriebenen Gruppen werden in den Kirchenbuch-Duplikaten Standesangaben verwendet, die speziellen Funktionen in der Dorfgemeinschaft oder der Gutswirtschaft bezeichnen: Briefträger, Brenner, Chaussee-Aufseher, Dorfdiener, Forstverwalter, Gärtner, Hirt, Kaufmann, Lehrer, Postillion, Schäfer, Wirtschaftsinspektor. Diese Angaben finden sich bei insgesamt 158 Taufeinträgen in den Kirchenbuch-Duplikaten, wobei allein 53 auf Schäfer und Hirten entfallen.

Trotz aller Unschärfe des vorhandenen Materials wird in der nachfolgenden Tabelle versucht, die 2764 Taufen der Duplikate sieben sozio­ökonomischen »Standes«-Gruppen zuzuordnen, und aus den gegebenen Namen der Eltern die Zahl der jeweils zugehörigen Familien18Im Grunde handelt es sich um Paarbeziehungen, denn durch den frühen Tod eines Ehegatten entfielen auf einige Familien mehrere Elternteile. zu ermitteln:

StandesgruppeZahl der TaufenAnteil in %Zahl d. FamilienAnteil in %
Bauern58321,116216,1
Kossäten2559,1777,6
Beikossäten28910,512112,0
Pächter230,8101,0
Häusler75127,224524,3
Handwerker1716,2767,5
Besitzlose Einlieger50618,323823,6
Sonstige1585,7777,7
ohne Angabe im Duplikat281,010,1
Summe2.7641007100
Tabelle 11: Eine Annäherung an die Sozialstruktur der Pfarre.

Der Gruppe der Bauern (inklusive der Schulzen, Freibauern, Krügern) gehörten also 16,1 Prozent der identifizierten Familien der Pfarre an, auf die jedoch 21,1 Prozent der Taufen entfielen. Im Durchschnitt hatte jede bäuerliche Familie 3,6 Kinder. Auch die Gruppen der Kossäten und der Häusler waren bei ihrem Anteil an den Taufen leicht überrepräsentiert; in diesen Gruppen kamen im Durchschnitt 3,3 bzw. 3,1 Kinder auf eine Familie. Auf die prekäreren Gruppen der Beikossäten, Handwerker und Einlieger entfielen hingegen im Verhältnis weniger Taufen. In diesen Standesgruppen hatte eine Familie im Durchschnitt 2,4 (Beikossäten), 2,3 (Handwerker) und 2,1 (Einlieger) Kinder. Auch in der breitgefächerten Gruppe der Sonstigen lag die durchschnittliche Kinderzahl bei 2,1. Viele Angehörige dieser Gruppe hielten sich allerdings nur kurz in der Pfarre auf oder zogen gar – wie die Schäfer – im ganzen Land umher.

In den Kirchenbuch-Duplikaten sind auch 48 Taufen nach Geburten außerhalb einer Ehe aufgeführt, von denen 24 keine Angaben zum Stand aufweisen, 22 aber der Gruppe der Einlieger zuzuordnen sind, denn die Mütter waren Mägde. Je eine uneheliche Geburt entfiel auch auf die Gruppe der Häusler und Beikossäten.

Zehn der unehelichen Kinder finden sich ebenfalls in den Duplikaten der Totenbücher; sieben von ihnen starben im ersten Lebensjahr. Bei drei Kindern steht der Todeseintrag bereits im Taufbuch, denn sie überlebten die Geburt nicht. Aus diesen Angaben lässt sich eine Säuglingssterblichkeit von 22,9 Prozent bei den »illegitimen« Geburten errechnen – gegenüber 19,4 Prozent bei allen Kindern. In Marzdorf wurden 16 uneheliche Kinder geboren, in Lubsdorf elf, in Brunk und Königsgnade je sechs, drei in Dreetz, je zwei in Böthin und Märkisch Friedland, eins in Neu Prochnow. Von den 48 genannten Geburten entfielen 32 auf die knappe 15 Jahren von 1860 bis 1874, in der ledige Frauen vermutlich nicht mehr so streng einer sozialen Kontrolle unterworfen waren.

Es ist interessant, dass die Sozialstruktur der Marzdorfer Pfarre offenbar der ähnelte, die Robert Stein 1934 für das ländliche Ostpreußen ermittelte. Dort machten Bauern und ihre Familien im Jahr 1859 25,1 Prozent der Bevölkerung aus, Eigenkätner (Besitzer kleinerer Bauernwirtschaften) 10 Prozent und Landarbeiter 40,5 Prozent19Zitiert nach: P. Wagner, a. a. O. 2005, S. 41.. In Marzdorf entfallen auf die Bauern 21,1 Prozent, auf die Kossäten 9,1 Prozent, auf die Beikossäten, Häusler und Einlieger 56 Prozent der Taufeinträge in den Kirchenbuch-Duplikaten. Die letzten beiden Gruppen lassen sich freilich nicht vollständig den Landarbeitern zurechnen, da – bedingt durch die mangelnde Trennschärfe im Datenmaterial – auch Handwerker, Hauspersonal, Fischer etc. enthalten sind. Stein konstatierte für Ostpreußen einen deutlichen Rückgang der Bauernwirtschaften, eine leichte Zunahme der Kätnerstellen und ein starkes Anwachsen der Landarbeiter im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Die nachfolgende Grafik stellt die Struktur der Marzdorfer Pfarre in den Jahren 1823 bis 1835, 1842 bis 1859 und 1860 bis 1874 anhand der Einträge in den Taufbuch-Duplikaten dar.

Trotz aller Mängel in der Berechnung, in der vom Anteil einer Bevölkerungsgruppe an den Taufen auf deren Anteil insgesamt geschlossen wird, ist auch in der Marzdorfer Pfarre ein deutlicher Rückgang der Bauern, ein leichte Zunahme der Kossäten und ein kontinuierliches Wachstum bei den Landarbeitern (zusammengefasst aus Beikossäten, Häuslern und Einliegern) festzustellen. Anders als in Ostpreußen sank der bäuerliche Anteil an den Taufen jedoch erst ab 1860 nach einem leichten Anstieg in den 1840er Jahren. Der Rückgang in der Gruppe der »sonstigen Einwohner« ist darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Hirten und Schäfer beständig abnahm. Ihr Anteil an den Taufen reduzierte sich von 3,3 Prozent in den Jahren 1823 bis 1835 auf 2,5 Prozent in den Jahren 1842 bis 1859 und lediglich 0,6 Prozent in den Jahren 1860 bis 1874.

Wie veränderte sich die Bevölkerungsstruktur aber in den einzelnen Orten? Die nächste Grafik zeigt die Entwicklung bei den drei Hauptgruppen der Bauern, der Kossäten und der Landarbeiter (wiederum zusammengefasst aus Beikossäten, Häuslern und Einliegern) in den vier Hauptorten der Pfarre Marzdorf auf der Grundlage der Taufeinträge:

Wie erwartet, zeigte das Gutsdorf Marzdorf eine vollständig andere Struktur als die Bauerndörfer Brunk, Königsgnade und Lubsdorf. In Marzdorf gab es nur sehr wenig Bauern und Kossäten, den Großteil der Bevölkerung machten die Arbeitskräfte des Dominiums aus, das zu den bedeutendsten Rittergütern der Kreises Deutsch Krone zählte. Die Sozialstruktur in Marzdorf änderte sich im Verlauf des halben Jahrhunderts von 1823 und 1874 trotz der Besitzerwechsel nur sehr wenig. Die ermittelten Abweichungen bleiben mehr oder weniger im Rahmen der statistischen Unschärfe.

Ganz anders verhielt es sich in den Bauerndörfern. Sie erlebten in diesem Jahrhundert tiefgreifende Veränderungen, die sich besonders exemplarisch am Beispiel von Königsgnade darstellen lassen. In den Jahren 1823 bis 1835 hatte dort die Gruppe der freigewordenen und auf die Feldmark ausgesiedelten früheren Gutsbauern einen Anteil von rund 42 Prozent an allen verzeichneten Taufen. Dieser Anteil erhöhte sich in den nächsten Jahren noch einmal auf fast 47 Prozent, um dann auf nur noch 27 Prozent zu fallen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Taufen, die in den Kirchenbuch-Duplikaten auf die Landarbeiter entfallen, kontinuierlich und zuletzt sprunghaft von 27,7 auf 46,2 Prozent an. Der Taufanteil der Kossäten nahm ebenfalls zu, aber deutlich langsamer als jener der Landarbeiter, auf die in den Jahren 1860 bis 1874 fast jede zweite Taufe entfiel. Die traditionsreicheren Bauerndörfer Brunk und Lubsdorf machten ähnliche Veränderungen durch, die aber nicht so deutlich ausfielen wie in Königsgnade. In beiden Dörfern lag der Taufanteil der Landarbeiter allerdings immer höher als in Königsgnade; zuletzt erreicht er 51,8 bzw. 57,4 Prozent.

Für diese Entwicklung sind nur zwei Erklärungen möglich: Entweder fielen in Brunk, Königsgnade und Lubsdorf zwischen 1823 und 1874 Bauernstellen weg oder die vorhandenen Bauernhöfe steigerten den Einsatz von Lohnarbeitskräften. Für die erste Erklärung gibt es keine Hinweise. Das Dorf Königsgnade z. B. wurde 1821 mit 19 Bauern- und sechs Kossätenhöfen20E. J. Krefft, a. a. O. August 2020, S. 10. gegründet, bestand 1850 aus 19 Bauernhöfen, sechs Kossätengehöften sowie zwei Eigenhäuslern21GStA PK: Grundsteuer-Kataster des adlichen Dorfes Koenigsgnade (1841-1850). und wies auch im Jahr 1945 noch 18 Bauernwirtschaften mit einer Betriebsgröße über 20 Hektar und sechs Kleinbauernhöfe mit einer Betriebsgröße zwischen zehn und 20 Hektar auf22Bundesarchiv Bayreuth: Grund- und Betriebslisten der Heimatauskunftstelle für den Regierungsbezirk Schneidemühl – Gemeinde: Königsgnade vom 24./25. September 1956..

Viel wahrscheinlicher scheint die Hypothese, dass die bestehenden Bauernhöfe ihre Wirtschaften nach der Separation ausweiteten und intensivierten. Vermutlich wurde die traditionelle Drei-Felder-Wirtschaft aufgegeben, bisherige Gemeinschaftshütungen und -wiesen in Ackerland verwandelt und Brachflächen urbar gemacht. Der Rückgang des Anteils der Schäfer und Hirten an den Taufen deutet in diese Richtung. Die neue Wirtschaftsweise erforderte den vermehrten Einsatz von Arbeitskräften, die zumeist aus der Pfarre selbst stammten und als Häusler oder Beikossäten die Dorfbevölkerung vermehrten.

Wenn diese Hypothese zutrifft, wäre nicht das Gut in Marzdorf, sondern die vielen Bauernwirtschaften die Hauptträger der Modernisierung nach 1860 gewesen. Das Sozialgefüge in der Pfarre änderte sich, weil die Bauern sich Marktbedingungen anpassten. Offenbar waren sie dabei auf längere Sicht erfolgreich, denn ab 1890 wurden die meisten Bauerngehöfte z. B. in Königsgnade durch Neubauten ersetzt, die der veränderten Wirtschaftsweise entsprachen. Ob freilich auch die ländlichen Unterschichten an den Erfolgen der Modernisierung partizipierten, ist eine ganz andere Frage. Die beachtliche Auswanderung nach Australien, Kanada und den USA, die bis in die 1870er Jahre anhielt, lässt das Gegenteil vermuten. Hinweise auf Migration finden sich in den Marzdorfer Kirchenbuch-Duplikaten – anders als z. B. in den Taufbüchern der katholischen Pfarre Mellentin23Ecclesiae Parochialis Mellentinensis: Liber Baptizatorum [Taufbuch der Parochial-Kirche von Mellentin] 1846-1888. Das Buch liegt ebenfalls in einer Abschrift vor, die bei mir angefordert werden kann. – allerdings nicht.

Die nachfolgende Grafik stellt auf Grundlage der Taufbuch-Duplikate Veränderungen in den unterbäuerlichen Schichten der Beikossäten, der Häusler und der Einlieger dar.

Bei aller Vorsicht gegenüber dem Datenmaterial sind doch einige Entwicklungen erkennbar. Die Gruppe der Beikossäten, die erst ab 1842 in den Kirchenbuch-Duplikaten genannt wird, war nur im Gutsdorf Marzdorf von einiger Bedeutung, aber auch hier ging ihr Anteil an den Taufen in den Jahren 1860 bis 1874 zurück. In allen Gemeinden stieg über alle Jahre hinweg der Anteil der Häusler, während der Anteil der besitzlosen Einlieger in den Bauerndörfern nach 1842 stagnierte, sich jedoch in Marzdorf verdoppelte. In Marzdorf wie den Bauerndörfern bildete ab 1842 der Stand der Häusler – dem ja zusätzlich die meisten Handwerker zugehörten – die zahlenmäßig stärkste Bevölkerungsgruppe. Von der gesellschaftlichen Mitwirkung blieb diese Schicht kleiner Hauseigentümer freilich bis 1918 weitgehend ausgeschlossen, weil die Kommunalverfassung den Großbesitz bevorzugte.

Von den 569 Hochzeiten, die sich in den Kirchenbuch-Duplikaten finden, lassen sich 172 nicht zur Feststellung der Sozialstruktur nutzen, weil die Pfarrer entweder bei der Braut, beim Bräutigam oder auch bei beiden nur den Familienstand (z. B. Witwer, Jungfrau) notierten und auf weitere Angaben verzichteten. Besonders häufig kam das in den Jahren 1870 bis 1874 vor, in denen bei 64 von insgesamt 69 Heiratseinträgen nur unzureichende Standesangaben vorliegen. Für die Auswertung sind mithin 442 Datensätze geeignet, bei denen in 158 Fällen für Bräutigam und Braut derselbe Stand angegeben wurde – das betrifft ein Drittel aller Eheschließungen. Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht den Anteil der einzelnen Schichtgruppen an den 884 vorliegenden Einzeldaten für Braut bzw. Bräutigam sowie die Häufigkeit von identischen Angaben:

StandNennungen beim BräutigamNennungen bei der BrautAnteil an allen NennungenAnteil standesgleicher Ehen
Bauern14217135,4 %58,2 %
Kossäten37398,6 %7,9 %
Beikossäten26447,9 %40,0 %
Häusler677716,3 %16,3 %
Handwerker17113,2 %7,1 %
Fischer751,4 %16,7 %
Hirten17113,2 %7,1 %
Einlieger32286,8 %26,7 %
Arbeiter752311,1 %26,5 %
Sonstige22336,2 %14,0 %
Tabelle 12: Auch an den Eheschließungen lag der Anteil der Bauern bei über einem Drittel.

Das Standesbewusstsein erscheint – wie erwartet – bei den Bauern besonders hoch, aber auch in den unterbäuerlichen Schichten der Beikossäten, Einlieger und Arbeiter wurde mehr als ein Viertel aller Ehen standesgleich geschlossen. Das scheinbar geringe Standesbewusstsein der Kossäten täuscht: Zwar wurden nur 7,9 Prozent der Hochzeiten im Stand selbst geschlossen, aber bei weiteren 39,5 Prozent kam der Partner aus dem Bauernstand. Zwischen den beiden landwirtschaftlichen Besitzergruppen bestand offenbar eine Affinität. Die nachfolgende Tabelle gibt an, welcher Stand von den einzelnen Gruppen bei einer Eheschließung präferiert wurde, und nennt den Anteil der drei häufigsten Nennungen an allen Hochzeiten dieser Gruppe:

Stand1. Rang2. Rang3. RangAnteil an allen Hochzeiten
BauernBauernHäuslerKossäten80,5 %
KossätenBauernHäuslerArbeiter69,7 %
BeikossätenBeikossätenArbeiterHäusler81,4 %
HäuslerHäuslerBauernArbeiter69,4 %
HandwerkerBauernSonstigeArbeiter67,9 %
FischerBauernFischerEinlieger66,7 %
HirtenBauernArbeiterHäusler57,1 %
EinliegerEinliegerBauernArbeiter58,3 %
ArbeiterArbeiterBeikossätenHäusler57,1 %
PächterBauernSonstige100,0 %
SonstigeBauernSonstigeHandwerker48,8 %
Tabelle 13: Bei den Pächtern sind in den Duplikaten nur 12 Hochzeiten verzeichnet, von denen 9 mit Bauern und je eine mit einem Lehrer, einem Förster und einem Bahnwärter geschlossen wurden.

Die vom Elbinger Stadtrat Wagner vorstehend beschriebenen Ehen zwischen altersungleichen Partnern aus dem Bauernstand kamen auch in der Marzdorfer Pfarre vor. Die Kirchenbuch-Duplikate verzeichnen zwischen 1825 und 1872 25 Eheschließungen von verwitweten Bauern; bei neun dieser Trauungen war die Braut mindestens zehn Jahre jünger, bei drei sogar mehr als 20 Jahre jünger als der Bräutigam. Ein hervorstechender Fall ist der des 60-jährigen Witwers und Altsitzers Martin Koltermann aus Brunk, der 1855 die 23-jährige Stellmachertochter Ernestine Radke heiratete.

Auf der anderen Seite verzeichnen die Kirchenbuch-Duplikate in den Jahren 1829 bis 1847 fünf Fälle, in denen Bauernwitwen ein zweites Mal heirateten. Bei zwei dieser Trauungen war der Bräutigam zehn oder mehr Jahre jünger als die Braut. Das Extrem stellt hier die Trauung der 45-jährigen Witwe Christina Robek aus Königsgnade mit dem 23-jährigen Knecht Martin Garske im Jahr 1847 dar.

Altersungleiche Ehen kamen jedoch nicht nur beim Bauernstand vor. Bei 23 Trauungen von Witwen aus anderen Ständen, die in den Kirchenbuch-Duplikaten zwischen 1828 und 1869 verzeichnet sind, war in vier Fällen der Bräutigam mindestens zehn Jahre jünger, in zwei Fällen jedoch auch mindestens zehn Jahre älter als die Braut. Bei den 50 Eheschließungen von Witwern aus anderen Ständen, die sich zwischen 1823 und 1872 in den Duplikaten finden, war in 19 Fällen die Braut mindestens zehn Jahre jünger, in sechs Fällen sogar mehr als 20 Jahre jünger als der Bräutigam. Zu den Witwern, die mit jüngeren Frauen eine zweite Ehe schlossen, zählte der 60-jährige Lehrer Michael Schulz aus Lubsdorf, der 1855 die 37-jährige Einliegertochter Anna Remer heiratete, und der 50-jährige Bürger Christoph Krause aus Deutsch Krone, der 1857 die 29-jährige Fischertochter Anna Maria Miranowski aus Dreetz ehelichte.

Die Tatsache, dass Witwer an 75 der 569 in den Duplikaten verzeichneten Hochzeiten beteiligt waren, Witwen aber nur an 28, ist gewiss auch auf das Risiko zurückzuführen, mit denen in der damaligen Zeit Geburten behaftet waren. Insgesamt wird in den Duplikaten der Sterbebücher 34-mal die Todesursache »Wochenbett« bzw. »Puerperio« genannt – das bedeutet einen Anteil von zehn Prozent an allen Sterbeeinträgen, die Frauen im Alter von 13 Jahren oder mehr betreffen.

Wie oben erwähnt lag die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen und Männer, die das erste Lebensjahr erreicht hatten, in der Pfarre Marzdorf bei 34 Jahren. Die nachfolgende Tabelle nennt die Werte für die einzelne Standesgruppen:

StandLebenserw. ab 1. Jahr – FrauenLebenserw. ab 1. Jahr – MännerLebenserw. ab 10 Jahren – FrauenLebenserw. ab 10 Jahren – Männer
Bauern39,5 Jahre43,2 Jahre48,9 Jahre54,4 Jahre
Kossäten34,5 Jahre38,3 Jahre48,5 Jahre55,1 Jahre
Beikossäten43,0 Jahre39,0 Jahre51,5 Jahre48,1 Jahre
Häusler27,3 Jahre28,7 Jahre44,5 Jahre42,3 Jahre
Einlieger u. Arbeiter36,2 Jahre38,3 Jahre46,5 Jahre50,6 Jahre
Sonstige32,6 Jahre25,4 Jahre46,6 Jahre44,2 Jahre
Alle Stände34,0 Jahre34,0 Jahre48,6 Jahre49,7 Jahre
Tabelle 14: Statistisch gesehen lebten männliche Kossäten und Bauern am längsten, Häusler am kürzesten.

Zum Abschluss soll hier auf eine Eigentümlichkeit in den Duplikaten der Traubücher hingewiesen werden: In den Jahren 1870 bis 1874 wird bei 33 von insgesamt verzeichneten 69 Ehen der Marzdorfer Lehrer Hermann Wiese als einer der Trauzeuge genannt, bei 34 Ehen ist es der Kirchenvorsteher Johann Garske. Der Lubsdorfer Lehrer Hilarius Rehbronn bezeugte die Gültigkeit von fünf Hochzeiten, der Brunker Lehrer Johann Theuss wurde in acht Fällen verzeichnet. Offenbar besassen diese vier Männer in besonderem Maße das Vertrauen der Brautleute.

Anmerkungen:

  • 1
    Die Erosion der ständischen Gesellschaft war nur ein Aspekt des Wandels, den die preußischen Landgemeinden im Zeitraum von 1830 bis 1900 in ökonomischer, administrativer und juristischer Hinsicht erlebten. Siehe dazu: P. Wagner: Bauern, Junker und Beamte. 2005.
  • 2
    Nach I. J. G. Scheller: Deutsch-lateinisches Lexicon. 1784, Spalte 757 ist ein inquilinus ein Häusler »ohne eigenes Haus«.
  • 3
    In den Schulakten von Königsgnade, die heute in Piła verwahrt werden, befindet sich eine Aufstellung über Patronatslasten in Höhe von 73 113 Mark, die das Dominium Marzdorf noch in den Jahren 1894 bis 1923 für den Unterhalt der lokalen Schulen und Kirchen aufbringen musste. (Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Actra betr. Schulbauten in Königsgnade 1887-1936, undatiertes Schreiben, ohne Pagina.)
  • 4
    In den Kirchenbuch-Duplikaten findet sich bei drei Taufen der Jahre 1864 bis 1872 noch ein weiterer »Gutsbesitzer«: Bernhard Schmidt in Marzdorf. Diese Standeszuschreibung durch die Pfarrer Steinke, Harski und Krefft ist rätselhaft, denn Bernhard Schmidt bewirtschaftete kein Gut, sondern das Kruggrundstück, dass sein Vorfahr Martin Schmidt 1706 erworben hatte. Dessen Nachfahre Christoph Schmidt wird 1772 als Zinsbauer auf einer Hufe Land im Kontributionskataster erwähnt, wo sich auch eine Abschrift des ursprünglichen Privilegs findet. GStA PK: Kontributionskataster Dorf Martzdorff, Blatt 251 ff.
  • 5
    Die eigentliche Wortbedeutung von Colonus ist »Jemand, der sich mit dem Ackerbau beschäftigt, gleichviel ob auf seinem Eigenthume oder als arator oder im Kleinen, d. h. als Pächter einer Staatsdomäne oder eines Privatgrundstückes«. (F. Schmalfeld: Lateinische Synonymik. 1869, S. 139.) Im Duplikat wird der Begriff immer nur für die bäuerlichen Eigentümer verwendet.
  • 6
    R. Wegner: Grundzüge einer zeitgemäßen Reorganisation des Gemeindewesens. 1850, S. 34.
  • 7
    »Auch in Westpreußen waren schon in polnischer Zeit an einigen Orten die Bauern von Scharwerksdienst entbunden und auf einen höhern Zinsfuß gesetzt; sie hießen Freibauern […]«. A. von Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den Provinzen Ost- und West-Preußen. 1839, S. 225.
  • 8
    Eine Ausnahme mag Johann Neumann in Marzdorf gewesen sein, der ab 1863 genannt wird.
  • 9
    R. Wegner, a. a. O. 1850, S. 53.
  • 10
    Einige Begriffe werden zeitlich versetzt genutzt: Ackersmann nur 1823, Cossetus nur 1825, Agricola von 1825 bis 1835, Halbbauer nur 1872. Mit den Begriffen Kossät und Eigentümer werden zudem gleiche Personen benannt, so gilt Johann Günterberg in Marzdorf 1858 als Eigentümer, 1860 als Kossät, 1862 und 1864 wieder als Eigentümer und 1865 sowie 1870 als Kossät.
  • 11
    »Daraus erklärt sich das geringere Ansehen des Kossäthen: er hat keinen Antheil an den gemeinsamen Angelegenheiten der Flur, er hat in Flursachen nicht mit­zureden; er steht außerhalb des Kreises der Bauern, des Kreises, der durch die Wirthschaft nach gemeinsamer Regel zusammengehalten wird.« G. F. Knapp: Die Bauern-Befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens. 1887, S. 12.
  • 12
    Johann Schmidt wird in den Kirchenbuch-Duplikaten erstmalig 1867, nach dem im Oktober 1866 erfolgten Tod von Johann Schulz, als Pfarrbüdner in Lubsdorf erwähnt.
  • 13
    Der 1842 als Käthner geführte Peter Garske aus Königsgnade erscheint im Separationsrezess von 1850 als Eigenhäusler mit 15 Morgen Land. Die im Rezess ebenfalls genannten Kossätenhöfe waren durchschnittlich 50 Morgen groß. (GStA PK: Grundsteuer-Kataster des adlichen Dorfes Koenigsgnade 1841-1850.)
  • 14
    Die Bezeichnung Einwohner findet sich nur 1824 in den Duplikaten. Im Jahr 1823 nutzte Pfarrer Busse auch für diese Gruppe die Bezeichnung Häusler, im Jahr 1825 wechselte er zu Inquilinus.
  • 15
    Die Bezeichnung Arbeiter wird in den Duplikaten nur von Pfarrer Steinke in den Jahren 1865 bis 1867 gebraucht. Die Pfarrer Katzer, Harski und Krefft schrieben Arbeitsmann.
  • 16
    Ein Beispiel ist Franz Marten aus Marzdorf, der 1863 im Taufbuch-Duplikat als Arbeitsmann bezeichnet wird, 1865 als Beikossät, 1870 als Einlieger und 1872 wieder als Beikossät.
  • 17
    Stephan Litfin aus Marzdorf z. B. wurde in den Taufbuch-Duplikaten 1863 als Arbeitsmann geführt, 1865 und 1867 als Einlieger, 1869 als Häusler, 1872 wieder als Einlieger. Etwas glaubwürdiger erscheint die Entwicklung bei Michael Kluck aus Königsgnade: Er wurde 1859 als Knecht geführt, 1861 bis 1863 als Einlieger und ab 1865 als Häusler.
  • 18
    Im Grunde handelt es sich um Paarbeziehungen, denn durch den frühen Tod eines Ehegatten entfielen auf einige Familien mehrere Elternteile.
  • 19
    Zitiert nach: P. Wagner, a. a. O. 2005, S. 41.
  • 20
    E. J. Krefft, a. a. O. August 2020, S. 10.
  • 21
    GStA PK: Grundsteuer-Kataster des adlichen Dorfes Koenigsgnade (1841-1850).
  • 22
    Bundesarchiv Bayreuth: Grund- und Betriebslisten der Heimatauskunftstelle für den Regierungsbezirk Schneidemühl – Gemeinde: Königsgnade vom 24./25. September 1956.
  • 23
    Ecclesiae Parochialis Mellentinensis: Liber Baptizatorum [Taufbuch der Parochial-Kirche von Mellentin] 1846-1888. Das Buch liegt ebenfalls in einer Abschrift vor, die bei mir angefordert werden kann.

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