Die Schulzen

Dienstsiegel des Schulzenamts Königsgnade

An der Spitze der Landgemeinden im Deutsch Kroner Land stand traditionell ein Schulze, der als Mittelsmann zwischen Dorfbevölkerung und Gutsherrschaft fungierte. In der polnischen Zeit wurden die Pflichten und Rechte der Schulzen in individuell formulierten Privilegien festgelegt, die auf Lebenszeit galten und an Nachkommen vererbt werden konnten. Es sind aus jener Zeit zwei Schulzenprivilegien1Beide Privilegien befinden sich in den Klassifikationsanschlägen des Amtes Märkisch Friedland, die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter der Signatur II. HA GD, Abt. 9, Polizeiverwaltung Tit. 85, Nr. 7 verwahrt werden und nun auch online zugänglich sind. überliefert: Das für Christoph Boczanski auf dem Lubsdorfer Schulzengut Lubshof aus dem Jahr 17232Privileg in deutscher Sprache ausgestellt von Marianna von Tuczynska Radonska, a. a. O., Blatt 193 ff. und das für den Brunker Schulzen Jakob Polcyn aus dem Jahr 17663Privileg in polnischer Sprache ausgestellt von Antoni z. Krzycka Krzycki, a. a. O., Blatt 18 ff.. Beide Privilegien beinhalten lokale Ordnungsfunktionen und verpflichten die Schulzen zur bewaffneten Grenzverteidigung, unterscheiden sich sonst aber deutlich. Während der Brunker Schulze Polcyn die Bewirtschaftung des herrschaftlichen Guts und die Ablieferung von Steuern und Abgaben zu überwachen hatte, konnte Boczanski mehr oder minder frei wirtschaften, denn für Verwaltungsaufgaben war im Dorf ein zusätzlicher Lehnschulze eingesetzt.

Jacob Poltzin wird auch im preußischen Kontributionskataster des Jahres 1773 noch als »Frey Schultz« in Brunk mit einer Hufe und sechs Morgen Land aufgeführt4A. a. O., Blatt 17.. In Lubsdorf gab es zu jener Zeit jedoch keinen Schulzen mehr, denn das frühere Schulzengut war aufgeteilt in den Besitz des »Arendators« Casimir Schulz und vier Kossätenhöfe5A. a. O., Blatt 190.. In Marzdorf wird der Zinsbauer Paul Koltermann als Schulze benannt6A. a. O., Blatt 245., dessen Witwe 1825 in Königsgnade verstarb.

Ab dem Jahr 1794 diente in Preußen das Allgemeine Landrecht, das den Schulzen zum »Vorsteher der Gemeinde« bestimmte, als zusätzliche Regelungsgrundlage7Das Allgemeine Landrecht ist online über opinioiuris.de verfügbar. Die Stellung des Schulzen wird behandelt in Teil II, Titel VII, §§ 46 ff.. War der Schulze bislang nur der Gutsherrschaft verpflichtet gewesen, machte ihn der Staat nun auch zum Mittler zwischen Staat und Dorfgemeinde, denn das Landrecht wies ihm die Aufgabe zu, der Gemeinde die »landesherrlichen und obrigkeitlichen Verfügungen bekannt machen« und für deren Befolgung zu sorgen. Der Schulze war jetzt für die Einhaltung der Polizeiordnung und die Beaufsichtigung von öffentlichen Arbeiten verantwortlich; er sollte Viehseuchen melden, verdächtige Personen den Behörden ausliefern und die staatlichen Steuern eintreiben. Gemeinsam mit zwei Schöffen stand der Schulze dem Dorfgericht vor und war für die Verwaltung des Vermögens der Gemeinde zuständig.

Die geltenden Privilegien blieben auch nach dem Jahr 1794 bestehen, denn das Landrecht erkannte die Verbindung von Schulzengut und -amt grundsätzlich an. War im Dorf kein erbliches Schulzengut vorhanden, hatte der Gutsherr das Recht, aus den Einwohnern der Gemeinde einen Schulzen zu ernennen. Der ernannte Schulze musste »des Lesens und Schreibens notdürftig kundig« und zudem »von untadelhaften Sitten« sein.

Da mehrere Ansätze zur Einführung einer Landgemeindeordnung scheiterten, blieben die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts, die das Schulzenamt betrafen, in Preußen bis 1873 gültig. Erst die Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 löste das Amt des Dorfschulzen aus der Abhängigkeit von der Gutsherrschaft und schaffte das erbliche Freischulzenamt ab. Erstmalig war es den Dorfgemeinden nun erlaubt, ihre Vorsteher selbst zu wählen. Bis zum Erlass der Landgemeindeordnung im Jahr 1891 gab es freilich keine eindeutige Wahlordnung für diese Abstimmungen und bis zum Ende des preußischen Staats war der gewählte Schulze auf die Bestätigung durch den Landrat angewiesen.

Das spannungsgeladene Verhältnis zwischen preußischen Landrat und Dorfschulzen hat die Historikerin Anette Schlimm im Jahr 20178Anette Schlimm: Vom unwilligen, unfähigen Schulzen zum kompetenten Bürgermeister? in: Administory, Zeitschrift für Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, 2017, S. 207 bis 229. https://doi.org/10.2478/ADHI-2018-0022. untersucht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Dorfschulzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Abhängigkeit der Landräte gerieten, die zunehmend »die Hoheit über der ländlichen Raum«9Ebenda, S. 220. eroberten. Von den Landräten wurden die ehrenamtlichen Dorfvorsteher einerseits mit Arbeiten überhäuft und andererseits als Sündenböcke für gescheiterte Verwaltungsmaßnahmen missbraucht. Klagen über unwillige und uneinsichtige Schulzen gehörten zum Standardrepertoire der preußischen Landräte, welche die Dorfvorsteher wie Untergebene behandelten und das Recht hatten, sie bei Unbotmäßigkeit zu strafen.

Die Akten der Schulzenämter in Brunk, Königsgnade, Lubsdorf und Marzdorf wurden nach 1945 vernichtet; die überlieferten Kirchenbücher, Kreiskalender und einzelne Verwaltungsakten erlauben es aber, einige der Personen zu nennen, die zwischen 1772 und 1945 die Funktion des Dorfverstehers ausübten.

Das Freischulzenamt in Brunk wurde von 1784 bis mindestens 1837 von Mathias Storch ausgefüllt, der die Witwe des Freischulzen Jacob Polzin geheiratet hatte. Im Jahr 1848 übernahm Lorenz Jaene den Freischulzenhof in Brunk; nach seinem Tod im Jahr 1871 fiel das Amt an dessen Sohn Paul10Siehe dazu auch Karl Hunger: Geschichte und Volkskunde des Dorfes Brunk im Kreis Deutsch Krone, Köln 2021, S. 42 ff.. Im Jahr 1915 und 1920 hieß der Gemeindevorsteher laut Heimatkalender Tetzlaff, 1936 war es der Bauer Paul Koltermann.

In Königsgnade hieß der erste Schulze Martin Schulz; er amtierte von mindestens 1824 bis mindestens zur Separation 1841 und war zu der Zeit der einzige Eigentümer im Dorf, der seinen Namen schreiben konnte11Das Grundsteuerkastaster von Königsgnade aus dem Jahr 1841 findet sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter Signatur HA XIV, Rep. 181, Abt. III, Sign. 9729.. Als Gerichtsmann (Schöffe) wird im Schulrezess von 1824 Johann Remer genannt12Die Schulakten von Königsgnade bis 1832 finden sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter Signatur HA XIV, Rep. 181, Abt. III, Sign. 8839.. In den Kirchenbuch-Duplikaten von Marzdorf13Die Duplikate der Kirchenbücher der katholischen Pfarre Sankt Katharina in Marzdorf, die im Archiwum Państwowe in Koszalin verwahrt werden, liegen inzwischen online auf metryki.genbaza.pl vor.sind die folgenden Schulzen namentlich aufgeführt:

1844Stephan Robeck
1849, 1852 und 1859Johann Garske
1854, 1856, 1857, 1860Jacob Günterberg
1888Josef Robeck
Erwähnung der Königsgnader Schulzen in den Kirchenbuch-Duplikaten von Marzdorf.

Robeck wird auch von 1902 bis 1910 in den Schulakten14Die Schulakten von Königsgnade ab 1855 finden sich im Archiwum Państwowe w Poznaniu Oddział w Pile unter den Signaturen 55/907/0/2.1.2.3/4585 bis 4588., sowie 1915 im Heimatkalender als Dorfschulze benannt. Im folgt 1921 und 1923 ein Schulze Neumann, dessen Vorname unbekannt ist. Von 1924 bis 1930 war Albert Günterberg Gemeindevorsteher in Königsgnade. Er setzte den Bau der neuen Schule im Dorf durch, die freilich erst in der Amtszeit seines Nachfolgers, Max Ziebarth, vollendet wurde. Ziebarth war bis 1945 Gemeindevorsteher in Königsgnade; seit dem Erlass der Deutschen Gemeindeordnung im Jahr 1935 trug er den Titel »Bürgermeister«. Das Schöffenamt übten 1927 Albert Remer und Paul Ziebarth aus, ab 1930 Paul Ziebarth und Gregor Garske.

Für Lubsdorf werden in den Kirchenbuch-Duplikaten die nachfolgenden Freischulzen genannt:

1824Joseph Schulz [† 11.12.1824]
1828, 1830, 1832, 1835 und 1847Andreas Schulz
1853, 1856 und 1857Christian Buske
Erwähnung der Lubsdorfer Schulzen in den Kirchenbuch-Duplikaten von Marzdorf.

Andreas Schulz starb vermutlich 1848 und Christian Buske erwarb das Freischulzenamt durch die Hochzeit mit dessen hinterbliebenen 18-jähriger Tochter Rosalia am 14. September 1849. Im Heimatkalender 1920 wird als Gemeindevorsteher von Lubsdorf ein Herr Manthey (leider ohne Vorname) benannt; im Jahr 1936 hatte das Amt der Bauer Josef Manthey inne, der auch noch 1942 als »Bürgermeister« der Gemeinde im Reichstelefonbuch steht.

In Marzdorf wurde das Schulzenamt schon vor 1811 erblich an die Familie Morowski vergeben. Der erste Freischulze war vermutlich Lorenz Morowski, der am 10. Januar 1857 im Alter von 75 Jahren in Marzdorf verstarb. Das Freischulzenamt erbte sein Sohn Joseph Morowski, der es bis zu seinem Tod am 28. Februar 1870 ausübte. Im Jahr 1901 hieß der Gemeindevorsteher in Marzdorf Rudolf Morowski, der das Amt auch 1915 noch ausübte. Im Jahr 1912 wurde ihm für seine Dienste als Gemeindevorsteher vom Kaiser das Allgemeine Ehrenzeichen verliehen. 1936 wird im Heimatkalender hingegen der Bauer Felix Schulz genannt.

Das am Kopf gezeigte Siegel des Schulzenamtes in Deutsch Krone wurde von mindestens 1856 bis Jahr 1930 von der Gemeinde genutzt. Max Ziebarth ersetzte es dann durch das modernere untenstehende Dienstsiegel.

Siegel des Gemeindevorstehers von Königsgnade
Siegel des Gemeindevorstehers von Königsgnade ab 1930

Anmerkungen:

  • 1
    Beide Privilegien befinden sich in den Klassifikationsanschlägen des Amtes Märkisch Friedland, die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter der Signatur II. HA GD, Abt. 9, Polizeiverwaltung Tit. 85, Nr. 7 verwahrt werden und nun auch online zugänglich sind.
  • 2
    Privileg in deutscher Sprache ausgestellt von Marianna von Tuczynska Radonska, a. a. O., Blatt 193 ff.
  • 3
    Privileg in polnischer Sprache ausgestellt von Antoni z. Krzycka Krzycki, a. a. O., Blatt 18 ff.
  • 4
    A. a. O., Blatt 17.
  • 5
    A. a. O., Blatt 190.
  • 6
    A. a. O., Blatt 245.
  • 7
    Das Allgemeine Landrecht ist online über opinioiuris.de verfügbar. Die Stellung des Schulzen wird behandelt in Teil II, Titel VII, §§ 46 ff.
  • 8
    Anette Schlimm: Vom unwilligen, unfähigen Schulzen zum kompetenten Bürgermeister? in: Administory, Zeitschrift für Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, 2017, S. 207 bis 229. https://doi.org/10.2478/ADHI-2018-0022.
  • 9
    Ebenda, S. 220.
  • 10
    Siehe dazu auch Karl Hunger: Geschichte und Volkskunde des Dorfes Brunk im Kreis Deutsch Krone, Köln 2021, S. 42 ff.
  • 11
    Das Grundsteuerkastaster von Königsgnade aus dem Jahr 1841 findet sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter Signatur HA XIV, Rep. 181, Abt. III, Sign. 9729.
  • 12
    Die Schulakten von Königsgnade bis 1832 finden sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter Signatur HA XIV, Rep. 181, Abt. III, Sign. 8839.
  • 13
    Die Duplikate der Kirchenbücher der katholischen Pfarre Sankt Katharina in Marzdorf, die im Archiwum Państwowe in Koszalin verwahrt werden, liegen inzwischen online auf metryki.genbaza.pl vor.
  • 14
    Die Schulakten von Königsgnade ab 1855 finden sich im Archiwum Państwowe w Poznaniu Oddział w Pile unter den Signaturen 55/907/0/2.1.2.3/4585 bis 4588.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert